Der Weg zu Hartz IV wird immer kürzer

Zum Artikel "Trotz schlechter Noten zur Lehre" (TV vom 19./20. September):

Im Artikel stellt die Agentur für Arbeit ihre Förderprogramme für Jugendliche beim Berufseinstieg vor. In Wirklichkeit fallen diese Fördermaßnahmen schon seit vielen Jahren Sparmaßnahmen zum Opfer.

Wie ein Beispiel in Bernkastel-Kues zeigt, wurde die Fördereinrichtung des Bildungsträgers "Lernen Fördern" geschlossen, denn die Vergabe der Arbeitsagentur von Berufsbildungs-/Berufsvorbereitungsmaßnahmen und ausbildungsbegleitenden Hilfen (= Lernunterstützung und sozialpädagogische Betreuung von Auszubildenden) erfolgen über Ausschreibungen. Und zwar nicht von den örtlichen Arbeitsagenturen, sondern überregional durch die sogenannten "Einkaufszentren". Die entscheiden immer unter dem Aspekt "Maßnahmen billig einkaufen", so dass sich das Gehaltsniveau von Mitarbeitern, die in diesen Bildungsmaßnahmen beschäftigt sind, auf "unter Mindestlohn" eingependelt hat.

Es entsteht der Konkurrenzdruck der Träger untereinander, bei einer Bildungsmaßnahme seine Mitarbeiter von einer Ausschreibung zur nächsten für immer weniger Gehalt arbeiten zu lassen - bei Arbeitslosigkeit wird das Arbeitslosengeld auf Grundlage des sich regelmäßig reduzierenden Gehaltes berechnet. Der Weg zu Hartz IV wird somit immer kürzer.

Durch den Verlust der Fördereinrichtung "Lernen Fördern", die seit 20 Jahren die "ausbildungsbegleitenden Hilfen" in Bernkastel-Kues und Wittlich geleistet hat, sind langjährig gewachsene Netzwerkstrukturen radikal zerstört worden, und Mitarbeiter der Beratungsstellen, mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Lernbetreuung von Auszubildenden, haben ihre Kündigungen erhalten.

Die Agentur für Arbeit bringt sich über diesen Ausschreibungsmodus "Vergabe durch die regionalen Einkaufszentren" in Verbindung mit dem "Preisverfall" der Maßnahmen selbst unter Qualitätsdruck: Denn wer will sich zukünftig für einen "Hungerlohn" mit Jugendlichen, die durch das sogenannte Bildungssystem gefallen sind und dringende Unterstützung bei ihrer beruflichen Entwicklung brauchen, beschäftigen?

Gute Bildung hat ihren Preis und ihren Stellenwert in der Gesellschaft. Dieser Preis liegt aber nicht auf dem Mindestlohn-Niveau.

Brigitte Walser-Lieser, Bernkastel-Kues

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