Der da! Haltet ihn!

Na endlich, sollte man glauben, endlich ist es "wissenschaftlich" erwiesen: Kassenpatienten werden benachteiligt, Private hingegen bevorzugt. Dann stößt der geneigte Leser im TV-Beitrag auf den Namen Ulla Schmidt, die das schon 2006 gesagt habe.

Ulla Schmidt, Moment, ist das nicht die Frau, die viel Energie darauf verwendet hat, eine Neuordnung im Gesundheitswesen um jeden Preis ins Werk zu setzen? Die von allen gescholten wird und dennoch lächelt? Die uns eine schlichte Katastrophe als Gesundheitsreform verkauft? Und gleich versteht der Zeitgenosse den Zusammenhang: Eine Regierung, unfähig, wichtige Sachverhalte im Innern zu regeln, weist auf einen äußeren Feind. Der da! Haltet ihn! Der ist für euer aller Ungemach verantwortlich! Der Leser liest weiter und gerät an diesen Satz: "Die Privatpatienten sind privilegiert, gesetzlich Versicherte müssen mindestens zwei Wochen auf einen Arzttermin warten." Welche Satzaussage? Keine! Eine Studie, die den Anspruch "wissenschaftlich" für sich verbuchen will, muss feststellen: Wann hat sich der Patient beim Arzt angemeldet? Welche Gebrechen hat er genannt? Für welchen Termin wurde er bestellt? Wie ist der Patient versichert? Und diese Angaben können nur beim Arzt erhoben werden. Alle Aussagen, die auf Befragungen basieren und das Maß der Zufriedenheit feststellen, sind wertlos. Denn dass Deutschland sich intensiv zu einer Neidgesellschaft entwickelt hat, das sollte sich bis in die letzten Winkel der Wohnstuben herumgesprochen haben. Jeder beneidet jeden anderen, der hoch bezahlte Manager neidet dem Bettler dessen viele freie Zeit. Und Ulla Schmidt freut sich, wenn sie glaubt, doch ausnahmsweise mal Recht gehabt zu haben. Wolf-Rüdiger Wulf, Trier

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