Die Hauptschule braucht ein eigenes Profil

Zum Artikel "Wenig Zug zur Hauptschule" (TV vom 21. Juni) erhielten wir diese Zuschrift:

Die rheinland-pfälzischen Hauptschulen leiden unter einem zunehmend schlechten Image. Doch mit der drohenden Abschaffung der Hauptschule haben wir weder deren Schüler abgeschafft noch das damit verbundene soziale Problem. Rund 20 Prozent der Hauptschüler stammen heute aus Familien mit erschwerten Lebenslagen, mit psychosozialen Problemen oder Migrationshintergrund, oft mit Lern- und Sprachschwierigkeiten ohne erwachsene Bezugspersonen, Ansprechpartner und Vorbilder. Diese jungen Menschen brauchen besondere Förderung. Sie haben oft geringere Lernmotivation, weniger Durchhaltevermögen. Lernen muss für sie praktisch, lebensnah und anschaulich sein. Deshalb gilt es, in unseren Hauptschulen handwerkliche und schulische Talente zu entdecken und zu fördern, um ihnen später höhere Bildungsabschlüsse in einem durchlässigen Bildungssystem zu ermöglichen. Hauptschulen brauchen andere Konzepte, die sich an dieser teils schwierigen Schülergruppe und ihren realistischen Zukunftschancen orientieren und nicht vom Gymnasium her entworfen werden dürfen. Das Beispiel der integrierten Gesamtschulen verdeutlicht, dass die Schule nicht von unten her, sondern von den Ansprüchen gymnasialer Bildung her entworfen ist. Die Pisa-Studie hat gezeigt, dass die Einrichtung der Gesamtschulen zum Ausgleich von Bildungsbenachteiligung nicht eingelöst wurde. Es hat sich als Irrtum erwiesen, anzunehmen, dass durch die gemeinsame Unterrichtung aller Schüler die Bildungsgerechtigkeit zu lösen wäre. Heterogenität braucht differenzierte Bildungsangebote. Eine zentrale Forderung wäre die Ausgestaltung aller Hauptschulen zu verpflichtenden Ganztagsschulen mit individueller Förderung und Gruppenarbeit, inklusive Zusammenarbeit mit Betrieben und Handel, sozialen und kulturellen Einrichtungen. Weiterhin mehr Training in den Kernfächern Rechnen, Lesen, Schreiben, sowie durch praktisches Lernen in Projekten und Werkstattarbeit.Die Hauptschule braucht wieder ein eigenständiges Profil und muss für Eltern, Schüler und Ausbildungsbetriebe so attraktiv werden, dass sie wieder für diejenigen zur Regelschule wird, die eine betriebliche Ausbildung nach Schulabschluss im Handwerk anstreben. Es war grundfalsch, bei abnehmenden Schülerzahlen Hunderte von Lehrerstellen einzusparen, statt die Chancen besserer Lernbedingungen für die Hauptschulen zu nutzen. Marie-Luise Niewodniczanska, Bitburg bildung

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