Ehrlich, transparent, sozial

Zum Artikel "Mindestlohn liegt vorerst auf Eis" (TV vom 8. Februar):

Als überzeugter Liberaler bin ich eindeutig für den Mindestlohn. Er vernichtet keine Arbeitsplätze, sondern trägt bei zu ehrlichem Wettbewerb und damit zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Wenn alle Beschäftigen Anspruch auf einen Mindestlohn haben, dann auch die ausländischen Beschäftigten und die von Subunternehmern. Dann kann man nicht mehr polnische oder tschechische oder sonstige Arbeitswillige ins Land locken, die man zu unwürdigen Bedingungen beschäftigen will, und mit denen man das gesamte Lohn- und Sozialgefüge durcheinander bringt. Wenn behauptet wird, die Sozialhilfegrenze sei ja praktisch ein garantierter Mindestlohn, kann das nicht überzeugen: Man unterbietet ehrliche Firmen, die man unter Umständen in den Ruin treibt, und lässt sich die Differenz von der Allgemeinheit bezahlen, die man auf diese Weise zum eigenen Vorteil ausbeutet. Auf Firmen, die sich ihre Konkurrenzfähigkeit nur durch rücksichtslose Ausnutzung der Sozialsysteme erkaufen, sollte man vielleicht doch lieber verzichten. Insofern tragen Mindestlöhne zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu ehrlicher und transparenter Konkurrenz bei. Was man durch den Mindestlohn mehr zahlen muss, spart man dadurch, dass weniger Sozial leistungen in Anspruch genommen werden müssen. Nicht vergessen werden sollten auch die Kirchen und karitativen Einrichtungen, die sich offensichtlich vehement gegen jeden Mindestlohn wehren. Ihre Beschäftigten haben nicht den normalen Sozialschutz (Betriebsräte, kaum Kündigungsschutz und eben keinen garantierten Mindestlohn). Wenn sie ihre Dienste zu den gleichen Bedingungen anbieten und ihre Beschäftigten normal behandeln müssten wie ihre Konkurrenz, wären sie offenbar nicht konkurrenzfähig. Daran darf der Mindestlohn nicht scheitern. Christian Schmidt, Montpellier-Mauguio/Frankreich tarifE

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