Ein Lichtlein für die Gottesmutter

Schön warm eingepackt und ganz offensichtlich zufrieden mit der Welt, in die er vor noch gar nicht langer Zeit hineingeboren worden war, so saß der kleine Mann an einem kalten Wintertag in seinem schützenden Kinderwagen. Seine Oma - und das bin ich - schob ihn gerne durch die Straßen seines Heimatortes.

Es gab für ihn so viel zu entdecken.
Heute war es der helle Ball dort am Himmel, auf den ich ihn aufmerksam gemacht hatte. Schon zeitig war er hoch über den Dächern zu sehen, obwohl es erst später Nachmittag war.
"Sieh mal, da ist der Mond", hatte ich ihm erklärt. Zuerst hatte er nur staunend hinaufgeschaut. " Der Mond ist aufgegangen," sang ich ihm leise vor, indem ich mich zu ihm hinunterbeugte. Er erkannte sein Lieblingslied sofort, das jeden Abend nach einem kurzen Gebet angestimmt werden musste, und sang mit mir.
Allerdings klang der Text bei ihm ein wenig anders. Aber ich wäre wohl die erste Oma, welche die Sprache ihres Enkelkindes nicht verstehen würde.

"Dea Mondi aufedangen,
die dolden Dearnlein rangen
an Himmel hell un lar.
Dea Wald deht dill un ßweiget,
un auß en Wiesen deiget
der weiße Nebel - wundabaa."

Inzwischen waren wir nahe unserer schönen Wallfahrtskirche angelangt. "Sollen wir der Muttergottes noch Hallo sagen?" fragte ich ihn. Sofort hob er sein behandschuhtes Händchen und erwiderte: "Hallo ßage!" Oh ja, dieses scharfe S liebte er heiß und innig.
Im kleinen Kirchenvorraum stellten wir sein Gefährt ab, und er trippelte an meiner Hand zum Altar mit dem Gnadenbild der stillenden Madonna. Die vielen Kerzenlichter spiegelten sich in seinen dunklen Augen. Gibt es eigentlich etwas Schöneres als Kinderaugen? Für Omas und Opas sicher nicht.
"Komm, wir zünden auch ein Lichtlein an für die Muttergottes," flüsterte ich. Er schaute mir dabei fasziniert zu. Wir waren die einzigen Besucher im stillen Kirchenraum. Darum kam mir noch eine Idee: "Sollen wir der Muttergottes und dem Jesuskind noch ein Liedchen singen?" Er nickte andächtig. "Aber welches?" fragte ich mich.
Das pfiffige kleine Kerlchen dagegen brauchte gar nicht lange zu überlegen. Wie sehr wird sich die Gottesmutter über seinen spontanen, zarten Gesang gefreut haben! Auch ich werde nie vergessen, die bekannte Melodie von seinem "Mond Lied" mit ganz neuem Text zu hören:

"Ein Lißtlein an demaat hat,
ein Lißtlein an demaat hat,
ein Lißtlein an de ... wundabaa."

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