Eklig, verlogen, heuchlerisch

Verbraucher

Zur Berichterstattung über die Skandale um belastete Eier und manipulierte Dieselmotoren:
Der Wahlkampf und Europa erliegen der Eierpest. Dank Gaschromatografie und sonstiger Feinstmessmethoden ist der nächste Skandal geboren. Aber das hatten wir doch schon mal. Meine Mutter, Kriegerwitwe mit zwei Kindern, baute 1949 aus Bunkertrümmern und Borkenkäferholz ein "Haus". Ein wesentlicher Teil, Hühner- und Schweinestall, durfte bei unserer Minilandwirtschaft und Weinbau nicht fehlen. Sicherten die Erträge doch das Überleben.
Zum Erfolg gehörte auch die Aufzucht und Pflege der Hühner und des Hausschweinchens. Hühnermilben und Schweineläuse wurden mit wirksamer Hilfe von "Wendelinuspulver" in die Schranken verwiesen. Die Eier - und jetzt sind wir beim Thema - blieben geschmacklich eher unauffällig. Das Hühner- und Gockelfleisch allerdings roch bedenklich und schmeckte nach einiger Wartezeit mit abnehmender Tendenz trotzdem eher eklig. Dazu kamen als globaler Aspekt die Einflüsse von Hühnermist bei Hackfrüchten und Gartenpflanzen. Ein Speiseplan der wahrhaft "gesunden Art".
Verstärkt wurde die Wirkung noch durch "wöchentliches Überbrühen" mit fast kochendem Wasser nebst Eigenbaukernseife aus Schweineknochen und -fett. Petroleum war erfolgreich gegen Kopfläuse. Hier schien der Wendelinuseffekt dann doch nicht erwünscht. So wurden meine Mutter und wir Kinder allergiefrei alt - 93 und fast 80.
Dank andauernder Arbeit in Haus und Garten blieben wir, bis auf Arthrosen der Großgelenke, von Krankheiten der Moderne verschont. Aufgetretene Hörschäden sind nicht durch Dauergebrauch von Techno- und Schwafelgeräten, sondern durch Rasenmäher verursacht; ein Zugeständnis an die Neuzeit. Für einige Tausend Quadratmeter Wiese war aber lange Zeit die Sense zuständig.
Bleibt als Resümee: Die Neuzeit mit ihren Möglichkeiten der Informatik, der Manipulation der veröffentlichten Meinung und der unreflektierten Aufnahme von "Aktualitäten" verführt häufig zu überzogenen Reaktionen und Ängsten. Also, glaubt nicht alles, bleibt cool, nur die Mücken landen am Fliegenfänger!
Erwin Lutz
Kanzem

Was bedeutet schon saubere Atemluft gegenüber der Karriere eines Politikers oder Konzernchefs?! Ein Test des Umweltbundesamtes belegt, dass auch Dieselfahrzeuge, die der aktuell gültigen Abgas-Norm Euro 6 entsprechen, die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide um mehr als das Sechsfache überschreiten. Entsprechend gravierender sind die Werte bei älteren Fahrzeugen. In vielen Städten ist die zulässige Höchstbelastung der Luft weit überschritten. Nun sollen ein paar Mausklicks die Atemluft retten. Eine neue Seite aus dem industriepolitischen Märchenbuch. "Too big to fail", dann sind Gesetze egal und die Politik hat ganz viel Verständnis.
Ganz anders reagieren politische Entscheidungsträger, aber auch Marktgiganten, wenn es um ein Insektizid in den Eiern geht. Millionen werden vernichtet, obwohl die Messwerte um einen Faktor zehn unter jenem Wert liegen, der bei Verzehr zur Gefährdung führen könnte. Das bedeutet: Kinder mit 16 Kilo Körpergewicht könnten zwei und Erwachsene mit 65 Kilo Körpergewicht sieben Eier pro Tag gefahrlos essen. Zudem könnte man Eier weglassen, Atemluft nicht.
Noch nie wurde innerhalb einer Woche medial so eklatant vorgeführt, wo Lobbyisten die Politik im Griff haben und wo nicht. Eine Frage sei noch erlaubt: Muss ein Fließbandarbeiter in Wolfsburg das Doppelte verdienen wie ein Handwerksmeister in der Eifel?
Karl-Heinz Keiser
Thomm

Gegen die mörderische Preis- und Qualitätskonkurrenz ausländischer Hersteller finden Autos made in Germany trotz höherer Preise reißend Absatz, weil sie weltweit als Spitzenklasse gelten. Doch Lügen haben kurze Beine, und ein Wettbewerbsvorteil, der auf Lügen aufgebaut ist, muss früher oder später platzen. Wie groß muss die Not, der Druck gewesen sein, sich dennoch auf die Abgasmanipulation von Dieselmotoren einzulassen und diese dann auch noch als besonders sauber zu bewerben. Sind die verantwortlichen Bosse in Bausch und Bogen zu verurteilen, oder sind sie nur tragische Figuren? Dass sie unanständig viel Geld verdienen, ist ein anderes Thema.
Dieselmotoren sauber zu konstruieren macht sie zu teuer für den Markt, unsaubere Motoren sauber zu lügen ist unmoralisch und kriminell. Aber nur auf Zetsche, Winterkorn & Co. mit dem Finger zu zeigen, ist heuchlerisch, denn die sind nur Teil eines zum Erfolg verurteilten Komplotts aus Industrie und Staat.
Jeder wusste von der Manipulation der Dieselsoftware, aber von allen wurde sie geleugnet, bis sie aufflog. Sogar das Kraftfahrt-Bundesamt, der Tugendwächter über die Autoindustrie, steckt tief im Schummel- und Lügensumpf.
Nun werden sie die Lügengeister, die sie riefen, nicht mehr los, spielen uns eine unwürdige Komödie vor und warten auf die nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird, um von sich abzulenken. Häppchenweise liefern sie Bauernopfer ans Messer, die sich in vorauseilendem Gehorsam angedient haben, die Dieselsoftware zu manipulieren, die Drecksarbeit für die Bosse zu machen.
Doch auch wir, die autogeilen und konsumsüchtigen Bürger, sind Teil des Autokartells aus Politik und Staat: Während wir scheinheilig auf "die da oben" schimpfen, geben wir kräftig Gas in immer mehr durstigen, protzigen, unsinnigen Off-Road-SUVs im Schützenpanzerformat. Süchtig und gaga am Auto- und Wohlstandstropf hängend, nötigen wir Politik und Industrie, unsere Gier zu bedienen.
Seien wir doch ehrlich: Um die Nummer eins zu bleiben, sind wir bereit, die Umwelt zu verraten. Die große Mehrheit der Bürger würde hinter Regierung und Branche stehen, hätten die ihre schmutzigen Motoren - brutal, aber ehrlich - verteidigt, statt sie sauber zu lügen.
Das infame Schummeln und Lügen hat weltweit das Gegenteil von dem bewirkt, was sie wollten: Schaden von Deutschland abzuwenden!
Manfred Schmitz
Flußbach

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