Es fehlt an Zeit, Geld und politischem Willen

Zum Leserbrief "Fünfzig Zentimeter am Gemeinschaftstisch" (TV vom 20. Oktober) erhielten wir diese Zuschrift:

Nur fünfzig Zentimeter "Arbeitsfläche" am Gemeinschaftstisch zu haben ist schon unerfreulich genug, noch unerfreulicher ist es, lediglich 45 Minuten Zeit für bis zu 32 Schüler (oder: 305 Minuten für mancherorts bis zu 1200 Schüler) zu haben. "Zeit ist Geld" heißt es in "der Wirtschaft". Zeit und Geld fehlen, so muss es für "die Bildung" heißen. Den Lehrern und Schülern fehlt es an (Unterrichts- und Zuwendungs-) Zeit, den Kommunen an Geld, die Folgen: überforderte Lehrkräfte, unterversorgte Schüler, marode Schulgebäude. Wen mag Pisa da noch wundern. Und was geschieht? Nicht grundsätzlich Besseres. Qualitätsprogramme und Bildungsstandards sind gut und wichtig, aber vor dem Hintergrund mangelhaften Zeitquantums, zu hoher Klassenmesszahlen sowie materiell und bausubstanziell beschämend erscheinender (oft Mammut-) Schulen greift dies alles nicht - es sei denn um den Preis erhöhter "Burn-out"-Gefahr unter dem Lehrpersonal und sich verschieden artikulierender Frus tration (Enttäuschung) unter der Schüler- und Elternschaft. Ich bin die politischen Sonntagsreden von "mehr Bildung" leid, gemeint ist übrigens eher "mehr Ausbildung", also der "Out-put" wirtschaftskompatibler Schulabgänger. Dies ist ohne Zweifel notwendig, nicht nur für den "Wirtschaftsstandort Deutschland", das heißt für das Bestehen im gnadenlosen globalen Konkurrenzkampf, sondern auch für jeden Schulabgänger in seinem - nicht minder gnadenlosen - Konkurrenzkampf um einen "guten" und (hoffentlich) sicheren Arbeitsplatz. Die Schule leistet aber noch mehr - sollte sie jedenfalls: Sie bildet, sie formt junge Menschen zu mitmenschlichen, solidarischen und kritischen Individuen. Wie können beide Komponenten schulischer Arbeit - Ausbildung und Bildung - jedoch wirklich greifen, wenn Zeit und Geld fehlen, wenn der - politische - Wille (!) zu einer grundlegenden Reform fehlt? Mit der Schaffung von Eliteuniversitäten alleine und/oder mit einer strukturellen (Oberflächen-) Reform (Zwei- statt Dreigliederung) ist es nicht getan.Helmut Michael Wilmes, Ralingen-Wintersdorf Schule

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