Fünfzig Zentimeter am Gemeinschaftstisch

Zu den Artikeln "Herr Lehrer ist meistens eine Frau" und "Der ideale Lehrer - Wie soll er sein?" (TV vom 5. Oktober):

Es ist höchste Zeit, dass der "Tag des Lehrers" in unserer Gesellschaft zur Kenntnis genommen wird. Wir Lehrer werden seit Jahren mit den Problemen, die die moderne Gesellschaft uns aufgehalst hat, allein gelassen. Vielleicht kann so ein Tag ein bisschen gesellschaftliches Bewusstsein schaffen und, so hoffen wir Lehrer, uns ein wenig entlasten.Wir Lehrer arbeiten nämlich seit Jahren unter ständig schlechter werdenden Bedingungen: Wir werden als "faule Säcke" oder "Halbtagsjobber" betrachtet, dabei ist es mittlerweile so, dass ein Vollzeitlehrer phasenweise überhaupt nicht mehr weiß, was Freizeit bedeutet. Das ist auch der Grund, warum so viele Lehrer die Möglichkeit nutzen, Teilzeit zu arbeiten. Schwierig ist auch unsere räumliche Situation. Jeder andere Beamte hat sein eigenes Büro, wir nicht einmal unseren eigenen Schreibtisch. Wir teilen unseren Platz im Lehrerzimmer (zirka 50 Zentimeter am Gemeinschaftstisch) mit mehreren Kollegen. Gleichzeitig wurde uns die Möglichkeit, unser häusliches Arbeitszimmer steuerlich abzusetzen, genommen, denn wir können ja angeblich in der Schule arbeiten! Wir Lehrer arbeiten seit Jahren unter diesen Bedingungen: kleine Klassenräume - viele Schüler, kleines Lehrerzimmer - viele Lehrer, mehr Arbeit - weniger Geld, aber versuchen trotzdem das Beste daraus zu machen.Ärgerlich ist es aber, wenn von zufälligen Besuchern im Lehrerzimmer über die Unordnung dort geredet wird, als sei es unsere vordringliche Aufgabe, das Lehrerzimmer in Ordnung zu halten und nicht Schüler zu unterrichten. Ärgerlich ist, wenn unsere Notlage und die ständige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen als Gejammer einer privilegierten Gruppe abgetan werden und wir zudem noch von allen Seiten ständig kritisiert werden. In dieser Situation hätte ich mir im TV zum Anlass des Internationalen Lehrertags anstelle der statistischen Fakten und der Forderungen an den "idealen Lehrer" eine Insider-Reportage zur vielfältigen, anspruchsvollen und leider zu wenig anerkannten Arbeit der Lehrer in Deutschland gewünscht. Aber immerhin, dass es den Tag gibt, ist ein erster Schritt. Deshalb: Ein Hoch auf den "Internationalen Lehrertag"!Dagmar Leppin-Becker, Gymnasiallehrerin, Bitburg gesellschaft

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