Für jeden normalen Arbeitnehmer ein Schlag ins Gesicht

Zum Leserbrief "Schlichtweg lächerlich" (TV vom 30. Januar):

Dass die Diskussion über den Ausbildungsbotschafter der HWK in ihrer Peinlichkeit kaum zu übertreffen ist, dem werden sicherlich viele Leser des TV zustimmen. Sie als schlichtweg lächerlich zu bezeichnen, ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Arbeitnehmer, dessen monatliches Netto kaum über der Herrn Schröer zugestandenen Aufwandsentschädigung liegt, die aber über den Komfort einer monatlichen Absicherung in Höhe von 4000 Euro nicht verfügen. Dass ein Vollblutpolitiker nach dem Ende einer 18-jährigen Amtszeit seinen Tatendrang nicht auf Null fahren und seine Energien für eine gute Sache einsetzen will, ist ja anerkennenswert. Wer sich diesen Einsatz mit monatlich 1250 Euro entschädigen lässt, sollte sich auch fragen lassen, was ihm in der schwierigen Situation am Ausbildungsmarkt wichtiger ist. Auf den Punkt gebracht: Hilft es tatsächlich weiter, Jugendliche für Handwerksberufe zu interessieren und Schülern, Eltern und Lehrkräften das Handwerk mit seinen vielfältigen Berufs- und Karriereperspektiven vorzustellen, wie es Helmut Schröer im Auftrag der HWK tut, wenn gleichzeitig die Ausbildungsbereitschaft im Handwerk immer weiter sinkt? Und wie sieht der quantifizierbare Erfolg dieser Tätigkeit aus? Oder ist benachteiligten oder schwer vermittelbaren Jugendlichen nicht viel mehr geholfen, sie tatsächlich in der engen Zusammenarbeit mit Betrieben in Ausbildungsverhältnisse zu vermitteln? Meine Kollegen und ich arbeiten in einer gemeinnützigen Einrichtung, die Arbeitslose in Ausbildung oder Arbeit vermitteln. Jedem von uns sind über einen Zeitraum von neun bis zehn Monaten 28 zu einem großen Teil schwer vermittelbare Jugendliche anvertraut. Unsere Aufgabe ist es, sie fachlich und in ihrem Sozialverhalten für den Arbeitsmarkt zu entwickeln, Betriebe zu akquirieren, in denen sie sich über Praktika für eine Übernahme in Ausbildung qualifizieren, die intensive Betreuung von Jugendlichen und Betrieben während dieser Phase und immer häufiger auch die Beschaffung von Fördermitteln. Denn leider verlangen immer mehr Betriebe gerade aus dem Handwerk immer häufiger eine Förderung aus öffentlichen Kassen, wenn sie sich zur Ausbildung bereiterklären. In diese Arbeit investieren wir - verglichen mit Herrn Schröer - rund das Dreifache an Wochenstunden für ein Netto-Einkommen, das mit der Höhe der Herrn Schröer verbleibenden Aufwandsentschädigung vergleichbar ist, von dem viele meiner Kollegen den Unterhalt für eine vierköpfige Familie bestreiten müssen. Dabei zählen auch wir nicht die Minuten - wobei Überstunden selbstverständlich nicht vergütet werden. Im Übrigen: Von den 28 mir anvertrauten Jugendlichen habe ich 27 in Ausbildung vermittelt. Birgit Krämer, Gimbsheim handwerkskammer

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