Fruchtbare Impulse

Wie schnell sich Worte, die aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen werden, verselbstständigen können und manchmal auch das Gegenteil von dem bewirken, was sie aussagen sollten, zeigte sich jüngst am Beispiel eines Zitats des byzantinischen Kaisers Manuel II., das Papst Benedikt in seiner Rede über Glaube und Vernunft an den Beginn seines Exkurses stellte.

Dies wird um so deutlicher, wenn man, was beim Lesen des gesamten Textes ersichtlich wird, den historischen Kontext betrachtet, in dem dieses Zitat, das vom Papst selbst als schroff charakterisiert wird, entstanden ist. Dennoch, selbst wenn es nicht die Absicht Benedikts XVI. war, den Islam als inhumane und schlechte Religion dahinzustellen, so bleibt ein fader Beigeschmack. Und hier ist es nicht bloß das oben erwähnte Zitat, das in dieser aus dem Zusammenhang gerissenen Form ideologischen Sprengstoff birgt, sondern auch die im weiteren Verlauf geäußerte These, dass es verwunderlich erscheine, dass das Christentum, welches zwar im Orient entstanden sei, aber seine Prägung im Westen erfahren habe, in direkter Kontinuität zur griechisch-römischen Tradition stehe, ist zwar richtig, aber sie bedarf in dieser Absolutheit einer näheren Betrachtung. Schwingt hierin nicht unbewusst mit, dass allein das Christentum in einer griechisch-römisch geprägten Tradition stehe und durch die Verkörperung seiner Werte wie Erkenntnislehre und vernunftgemäßes Handeln Europa geschaffen habe? Dies lässt außer Acht, dass sich auch in der islamischen Welt Elemente finden, die ihre Wurzeln in einer hellenistisch antiken Tradition haben und die spätestens ab dem 12. Jahrhundert fruchtbare Impulse für die wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung Europas beisteuerten. Vor dem Hintergrund der momentanen weltpolitischen Lage wäre sicherlich ein Zitat aus Bocaccios Ringparabel, die Lessing übernimmt und in einem fiktiven Dialog zwischen Sultan Saladin und Nathan dem Weisen, der die Frage nach der wahren Religion zum Inhalt hat, Nathan in den Mund legt, geeigneter gewesen, um einen Diskurs über den Dialog zwischen den Kulturen in Gang zu setzen. Dr. Claudia Kurz, Trier

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