Gedankenfreiheit

Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen - die Chefredaktion antwortet.

Dieter Neyses schreibt per E-Mail: Bezüglich des Tibet-Leserbriefs mit der Überschrift "Inakzeptabel" von Li Zhu aus Trier möchte ich neben meinem Entsetzen zum haarsträubenden Inhalt vor allem mein Erstaunen zum Ausdruck bringen, dass der TV einer solchen Zuschrift ein Forum bietet. In dieser Machart wird zur Zeit hundertfach und bundesweit (und vermutlich weltweit) als Leserbrief getarnte, vom chinesischen Staat gelenkte Desinformation betrieben. Ist das jetzt einfach nur provinziell oder auch im wirtschaftlichen Interesse des TV begründet?Lieber Herr Neyses,vielen Dank für Ihre Zuschrift. Sie werfen einige interessante Fragen auf. "Serienbriefe", "Rundschreiben" oder "offene Briefe", die an dutzende Adressaten verschickt werden, veröffentlichen wir nicht im TV. Ich schließe nicht aus, dass eine derartige Postwurfsendung schon einmal ins Blatt gelangt ist. Denn es ist nicht immer leicht, solche Schreiben zu identifizieren und auszufiltern. Zumeist gelingt es jedoch. In diesem Fall handelt es sich wohl um eine private Meinung. Frau Li Zhu macht sich zwar die Position Pekings zu eigen. Eine getarnte Desinformation der chinesischen Propaganda erkenne ich darin aber nicht. Zu Ende gedacht, würde das ja potenziell jeden Leserbrief-Schreiber unter den Generalverdacht stellen, sein Beitrag sei "gesteuert" - von wem auch immer: Regierung? Parteien? Kirche? Greenpeace? Dalai Lama? Und so weiter.Nachvollziehbar ist, dass Sie die Haltung von Frau Li Zhu "haarsträubend" finden. Ich gestehe: Es geht mir ähnlich. Und doch: Die Veröffentlichung von Leserbriefen im TV ist nicht davon abhängig, ob die geäußerte Meinung dem Redakteur, der sie bearbeitet, gefällt oder nicht, ob sie einer bestimmten politischen Richtung oder Weltanschauung entspricht oder ob sie wirtschaftliche Interessen berührt. All dies zählt nicht. Die Meinung ist frei, das ist entscheidend. Nur wer die Ansichten anderer Menschen kennt, nur wer Gedankenfreiheit zulässt, kann sich damit auseinandersetzen. Genau das unterscheidet Demokratien von Diktaturen: Meinungen, auch wenn sie noch so schräg, missliebig oder absurd sein mögen, werden nicht unterdrückt, sondern zur Diskussion gestellt.Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur Lob, Kritik, Anregungen?E-Mail: forum@volksfreund.deBrief oder Postkarte:Trierischer Volksfreund, ForumHanns-Martin-Schleyer-Str. 854294 Trier

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