Gelebte Demokratie

Zum Artikel "Immer mehr Proteste gegen Großprojekte" (TV vom 3. November):

Was benötigen wir Menschen und was wollen wir? Das sind zwei verschiedene Fragen. Wir benötigen Geld, um das Haus oder die Miete sowie das Auto bezahlen und unterhalten zu können. Wir müssen uns ernähren und kleiden sowie die Strom-, Abfallentsorgungs- und Wasserrechnung begleichen. Die Kommunikations-, Informations- und Unterhaltungsmedien sind nicht kostenfrei. Die Versicherungen fordern ihre Beiträge. Wir müssen unseren Kindern Schule und Studium bezahlen. Die Liste ließe sich erweitern. Dies sind "harte" Fakten.

Wir wollen verreisen, ins Kino oder ins Theater gehen, ins Frei- oder Hallenbad, mit Freunden ausgehen. Und wir wollen "in die freie Natur" hinein spazieren oder wandern oder joggen oder biken. Auch dies sind Tatsachen, vielleicht eher "weiche".

Um dies alles tun zu können, benötigen wir Geld, oft viel Geld, und dies geht in der Tat nur über einen mehr oder weniger sicheren Arbeitsplatz. Und genau hier wird in der Regel angesetzt, um "die Menschen" davon zu überzeugen, wie sinnvoll das eine oder andere Projekt vor "ihrer Haustür" ist, um es so argumentativ zu rechtfertigen.

Und wer würde dem allem nicht zustimmen? Wenn außerdem noch "das Allgemeinwohl" bemüht wird, dann gibt es kaum noch überzeugende Gegenargumente. Wirklich nicht? Ich meine doch. Ohne die Bibel heranziehen zu wollen, in der es heißt: "Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele"?, so liegt doch auch hier eine konkrete Wahrheit: Wir - das heißt Körper und Psyche, was schwerlich zu trennen ist - benötigen eine Umgebung frei von Lärm, von Abgasen, von Staub, von überbordender Lichtflut. Wir benötigen dies weit mehr als die oben genannten "harten" Fakten, von denen manche entbehrlich sind. Mehr als es uns vielleicht bewusst ist. Aber immer mehr Menschen scheinen dies zu spüren. Und sie wehren sich. Dies nenne ich gelebte, konkrete Demokratie. Zugegeben: Sie ist unbequem, ein "schlimmes Phänomen", um Arne Rössel von der IHK zu zitieren. Ich halte diese Einstellung für ein schlimmes Phänomen. Nur in Diktaturen geht man rücksichtslos über die Bedürfnisse der Menschen hinweg.

Michael Wilmes, Ralingen

wirtschaft

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort