Gesellschaft

Zum Artikel "Wenn Ärzte Menschen umbringen" und zur Diskussion über die Sterbehilfe (TV vom 19. September):

Prinzipiell haben Minderjährige jeglichen Alters in Belgien das Recht, von ihrem behandelnden Arzt eine Beihilfe zur Selbsttötung in Anspruch zu nehmen. Die neue Regelung ist jedoch an gewisse Voraussetzungen gebunden. Diese beinhalten die ausdrückliche Bitte des Kindes, die Zustimmung der Eltern, die medizinische Klassifizierung des Leidens des Patienten als "unerträglich" sowie ein psychologisches Gutachten, das die volle Zurechnungs- und Urteilsfähigkeit des minderjährigen Patienten bestätigt. Darüber hinaus gelten die regulären Bestimmungen aktiver Sterbehilfe. Jede praktizierte Tötung auf Verlangen muss bei einer einzurichtenden "Föderalen Kontroll- und Evaluations-Kommission" registriert und bewertet werden. Diese hat zu beurteilen, ob die Bedingungen und die jeweils vorgesehenen Verfahrensregeln für eine legale Tötung auf Verlangen erfüllt sind. Kommt eine Zweidrittelmehrheit der 16-köpfigen Kommission (acht Mediziner, vier Juristen und vier unmittelbar mit der Problematik unheilbar Kranker befasste Personen) zu dem Schluss, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist der Fall an den zuständigen Staatsanwalt weiterzuleiten. Siehe dazu: Die Gesetzeslage zur Sterbehilfe in Belgien: "Loi relative à l'euthanasie" (das Gesetz ist seit dem Jahr 2002 in Kraft, durch eine Änderung im Jahr 2014 ist das vorher notwendige Kriterium der Volljährigkeit weggefallen). Bei Tötung auf Verlangen, wo ein unnötiger Leidensdruck (Diagnose: todkrank, ohne jede Aussicht auf Heilung) vorzeitig beendet wird, kann von "Umbringen" durch Ärzte keine Rede sein, da dies nur mit einer persönlichen Willenserklärung des Betroffenen geschehen kann. Und dies wiederum nur unter strengsten Kriterien. Hier wird also ein Selbstbestimmungsrecht mit Umbringen verklausuliert und diskreditiert, was anscheinend Methode hat. In Benelux und in der Schweiz hat sich die Bevölkerung mehrheitlich für eine aktive Sterbehilfe ausgesprochen, auch und ausdrücklich gegen die Meinung der Kirche. So auch in Luxemburg durch Volksabstimmung. Ähnliches Abstimmungsverhalten wäre in Deutschland zu erwarten, ist aber nicht erwünscht. (So viel zur demokratischen Willensbildung.) Als Ergänzung sei das aktuelle Buch von Matthias Thöns "Patient ohne Verfügung - Das Geschäft mit dem Lebensende" empfohlen, wo der Autor von einem Sterbeverlängerungskartell spricht. Wer dieses Buch gelesen hat, wird wesentlich differenzierter mit der Thematik umgehen. Wolfram Bauer, Nittel-Rehlingen

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