Gesundheit

Zum Artikel "Sturz aus dem Krankenbett [… ]" (TV vom 21. Mai):

Die moderne Medizin ist durch die Anwendung reduzierter, besonders verflachter technischer Modelle (Regelkreise) geprägt. Das hat die Illusion genährt, dass der Zugang zur Wirklichkeit durch einen formalisierbaren Informationsgehalt und nicht durch die Erfahrung, Risikoabschätzung und Intuition des Handelnden erlangt wird. Information und definierte Kriterien reichen aber zur Beurteilung medizinischer Handlungen allein nicht aus. Der beobachtende und diagnostizierende Arzt sollte in immerwährender Selbstkontrolle versuchen, die Krankheitssituation des Patienten wirklichkeitsnah zu erfassen. Dies kann nur über die "Intelligenz der Sinne, sinnfällige Sicherheit der Wahrnehmung" gelingen. Diese bilden sich aber nur durch Übung und Selbstkontrolle aus. Erfahrung ist durch Intelligenz nicht kompensierbar, auch kann sie nicht gelehrt werden, sie muss selbst erlebt werden. Die Einhaltung logischer Prinzipien ist eine Voraussetzung für verantwortungsvolle ärztliche Tätigkeit, kann aber die Wahrnehmung am Patienten nicht ersetzen. Geschieht Letzteres nicht, unterlässt man die Anschauung am Patienten, sind Fehler programmiert. Fehldiagnosen beruhen in sehr geringen Zahlen (Promillebereich) auf Unwissen oder Oberflächlichkeit, zum größten Teil allerdings auf sehr schwierigen Interpretationsprozessen und Abwägen von Risiken. Die Fehldiagnosen in der Medizin betragen zehn Prozent mit therapeutischen Konsequenzen und zwölf Prozent ohne therapeutische Konsequenzen in einer Hauptdiagnose. Ihre Zahl ist mit etwa zwanzig Prozent also systemimmanent und muss wohl hingenommen werden, abgesehen von den grob fahrlässigen Fehlern, die jeder erkennt und die mit einfachen Kontrollmechanismen vermeidbar wären. Dr. med. Jürgen Trarbach, Kleinich

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