Grottenfalsche (Kurz-)Schlüsse

Politik

Zum Leserbrief "Respektlose Parlamentarier" (TV vom 25./26. Februar):
In seinem Beitrag moniert Gerlach Pfeiffer aus Kirchweiler, dass am 17. Februar von 632 Bundestagsabgeordneten nur zwischen fünf und acht Prozent im Plenum anwesend waren. Sein Eindruck, das zeigt ein kurzer Faktencheck auf der Homepage des Bundestages ( <%LINK auto="true" href="http://www.bundestag.de" text="www.bundestag.de" class="more"%> ), ist richtig. Grottenfalsch sind aber die (Kurz-)Schlüsse, die Herr Pfeiffer zieht. Wer nämlich von der Abwesenheit von Abgeordneten auf deren Arbeitsmoral schließt, verkennt, dass sich die eigentliche Arbeit der Parlamentarier weitgehend in den Ausschüssen, also hinter den Kulissen, fernab der Fernsehkameras und oft zeitlich parallel zu den Plenarsitzungen abspielt. Umgekehrt wird also eher ein Schuh daraus: Jener Abgeordnete, der in jeder Plenarsitzung von früh bis spät in die Kameras lächelt (für Herrn Pfeiffer also sichtbar und damit zählbar ist), derweil aber in seinem Ausschuss bei der Stellungnahme zu einem wichtigen Gesetzentwurf durch Abwesenheit glänzt, stünde zu Recht eher im Verdacht, seiner eigentlichen Aufgabe nicht gerecht zu werden.
Beruht Ihr Leserbrief, Herr Pfeiffer, nur auf einer sehr naiven Vorstellung von der Funktionsweise des parlamentarischen Systems der Bundesrepublik? Dagegen könnte man etwas tun. Bekanntlich gibt es ein wirksames Rezept gegen Wissenslücken: mehr Bildung. Oder haben Sie das Thema nicht eher durch eine braun getönte Brille gesehen? Wer schon in der bloßen Abwesenheit von Abgeordneten ein "schändliches Verhalten" sieht, dabei das Wort Volksvertreter in Anführungszeichen setzt, von einer "groben Arbeitsverweigerung", von "Verachtung des Parlamentarismus" und "Respektlosigkeit gegenüber dem Volk" faselt, der hat sich allein durch die Wortwahl entlarvt und schleppt fleißig Benzinkanister für die Brandstifter (Pegida, AfD, NPD).
Natürlich hat wohl jeder von uns gute Gründe, das eine oder andere an der Arbeit unserer politischen Eliten zu kritisieren. Aber im Großen und Ganzen stimmt doch die Richtung: über 70 Jahre herrscht Frieden in Deutschland; wir leben in einem Staat, der in jeder Hinsicht im internationalen Vergleich mithalten kann, ja oftmals in anderen Ländern sogar als Vorbild gesehen wird. Das alles fällt doch nicht vom Himmel!
Auch wenn so manches am Bundestag kritikwürdig ist, so kann doch wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass hier gute Arbeit geleistet wird, selbst wenn im Plenarsaal bisweilen nur fünf oder acht Prozent der Abgeordneten anwesend sind. Wie sagte unser ehemaliger Kanzler Helmut Kohl: Entscheidend ist, was hinten rauskommt!
Werner Becker
Trier

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