Hellseher und Hütchenspieler

Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen - die Chefredaktion antwortet.

Günter und Renate Schmitt aus Trier schreiben: Immer wenn wir die Anzeige "Heilende Eifel-Hellseherin" im TV lesen (unter Verschiedenes), können wir nicht verstehen, dass eine einigermaßen vernünftige Zeitung eine solche Werbung veröffentlicht. Hier werden Versprechen von einer "Hellseherin" gemacht, die in unseren Augen unverantwortlich sind. "Hundertprozentiger Erfolg", "Heilung von Krebs" und so weiter - das kann und darf nicht mal ein Mediziner garantieren. Wir wundern uns, warum bis heute offenbar kein Arzt auf solche Anpreisungen reagiert hat. Für uns gibt es nichts Schlimmeres, als den ärmsten Menschen, den Schwerstkranken, solche unerfüllbaren Hoffnungen zu machen. Wenn diese Frau tatsächlich hellseherische Fähigkeiten hätte, wüsste sie, dass ihre Versprechen in keiner Weise zu erfüllen sind.

Liebe Familie Schmitt,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Sie weisen auf ein Problem hin, das so alt ist wie die Menschheit: das Geschäft mit der Angst vor Krankheit, Tod und Ungewissheit. Jeder will wissen, was die Zukunft bringt, keiner weiß es - auch wenn manche so tun, als ob: Hellseher und Propheten, Schwarzmaler und Schreckensmelder, die unablässig verkünden, was demnächst angeblich dräut. Mit der Karriere geht's bergauf, mit der Liebe bergab, vielleicht auch umgekehrt, und irgendwo in Nirgendwo braut sich gar grausliches Ungemach zusammen. Humbug! Sie liegen fast immer daneben, die Mahner und Warner vom Dienst, im Vergleich zu ihren Vorhersagen lesen sich die Märchen aus Tausendundeiner Nacht wie wissenschaftliche Untersuchungen. Nur ein Beispiel: Allein für die vergangenen zehn Jahre sind 62 Weltuntergänge errechnet, geweissagt, angekündigt worden - so weit bekannt, ist bislang keine der angeblich todsicheren Prognosen eingetroffen. Alles Mumpitz! Und doch, das Geschäft mit der Zukunft brummt, gerade in Krisenzeiten machen sie ihren Reibach, die Kaffeesatzleser, Sterndeuter, Spökenkieker, Rosstäuscher und Quacksalber.

Vom ollen Nostradamus bis zur Eifel-Hellseherin - die maßlose Übertreibung ist das Markenzeichen der Orakel-Zunft, bei der Werbung in eigener Sache sowieso. Die marktschreierischen Heiler und Hütchenspieler jonglieren mit den tiefsten Abgründen der menschlichen Psyche. Derlei ist moralisch fragwürdig - aber nicht grundsätzlich verboten.

Für Zeitungsleser ist wichtig zu wissen: Anzeigen und Redaktion sind klar getrennt. Die Werbung ist bezahlt, der Auftraggeber bestimmt und verantwortet den Inhalt und die Form seiner Botschaft - deren Wahrheitsgehalt nicht überprüft wird, sofern sie den juristischen Vorgaben standhält, etwa dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Nicht käuflich sind dagegen die redaktionellen Inhalte, die von Journalisten zusammengetragen, überprüft und aufbereitet werden.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur

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