Heuchler am Werk

"Heuchler am Werk" muss ich konstatieren, wenn ich die Berichte zum Fall des Bremer Türken Kurnaz verfolge. Fraglos wurde dem Mann in Guantanamo übel mitgespielt. Allein, seine Torturen haben nicht deutsche, sondern US-Behörden zu verantworten.

Erinnern wir uns: Kurnaz tauchte kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ohne Abschied unter und reiste nach Pakistan, wo der islamistische Mob schon damals auf den Straßen tobte. Angeblich suchte er dort religiöse Erleuchtung. Für die deutschen Behörden war er einfach weg wie etliche andere Muslime, die später auf dem Balkan und in Afghanistan als Kämpfer auftauchten. Den Anschlägen von 2001 folgten 2002 bis 2006 zahlreiche weitere islamistische Bombenattentate auf westliche Touristen in Djerba, Bali, Mombasa, Casablanca, Istanbul, auf der Sinai-Halbinsel, Amman, auf westliche Arbeiter und Angestellte vorrangig in Saudi-Arabien, auf einen Bundeswehrbus in Kabul und auf den öffentlichen Nahverkehr in Madrid und London. Und es folgen 2006 die nicht detonierten Kofferbomben von Koblenz und Dortmund und die vereitelten Anschläge auf den britischen Luftverkehr. Kurnaz mag ein naiver Mann mit religiöser Affinität sein, aber das wollte damals niemand glauben in einem auch von den Medien angeheizten Hexenkessel aus Terrorangst und Terrorhysterie. Dass Steinmeier, Hannig und Uhrlau ihn lieber außerhalb Deutschlands sahen als innerhalb, ist somit nachvollziehbar. Nicht verständlich hingegen ist ihre Weigerung, zu ihrem Verhalten zu stehen und dieses öffentlich zu erklären. Das ist heuchlerisch, zumal angesichts eines ehemaligen Außenministers Fischer, der alles tun wollte, um Kurnaz zu helfen. Insofern sollte MdB Ströbele nicht vor der Kamera hetzen, sondern seinen Parteifreund auf sein übles Verhalten ansprechen. Heuchlerisch gebärden sich allerdings auch die Journalisten, die seinerzeit die Hysterie schüren halfen und heute mit frommem Augenaufschlag über Steinmeier & Co. den Kopf schütteln. Für sie und manchen Oppositionspolitiker mutierte der "Bremer Türke" unversehens zu einem "Herrn Kurnaz", eine Ehre, die sie ihm damals nicht antun wollten. Wolf-Rüdiger Wulf, Trier

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