Historische Klugheit

Zur Konstantin-Ausstellung erhielten wir folgende Zuschrift:

Es war für mich eine anregende Erfahrung, als jetziger Neuberliner die Stadt zu besuchen, in der ich fast zwanzig Jahre lang gelebt habe.Grund des Besuches war natürlich die Konstantin-Ausstellung. Dank an die Verantwortlichen und an alle, die sich an der Organisation beteiligt haben - von der wissenschaftlichen Hintergrundarbeit bis hin zu den sicher schwierigen Verhandlungen mit den Leihgebern. Vieles, das mir aus meiner ehemals beruflichen Beschäftigung mit der Spätantike bekannt war, konnte ich in bereichernder neuer Perspektive wahrnehmen.Dennoch: Etwas war da, das sich nicht in mein gewohntes Gesamtbild einfügen wollte. Es kam mir vor, als wäre irgendwo eine störende Unebenheit, über die man leicht stolperte. Erst langsam formte sich ein Gedanke - oder eher ein Gefühl - heraus: "Schlagseite". In welche Richtung? Ich meine nicht die unterschiedlichen Deutungen der Personen, Ereignisse und Motivationen. Natürlich sind sie historisch diskutabel und im Ganzen auch wohltuend relativierend. Dennoch dürfte es naheliegend sein, Konstantins Triumph an der Milvischen Brücke etwa so zu kommentieren: "Von nun an konnten die Christen frei von Verfolgungen leben." Aber im Landesmuseum meine ich, etwas anderes als zu dezidierten Kommentar herausgehört zu haben: "Dies war der Beginn der Religionskriege." Erfreulicherweise gelang es mir, den kleinen verdrießlichen Stolperstein auf dem Gang durch die Säle hinter mir zu lassen.Ich habe da die Meinung des einen oder anderen in Trier wohlbekannten Experten im Frühchristentum vermisst. Wahrscheinlich hätte er sich mit nicht weniger Kenntnissen und mit mehr Einfühlungsvermögen in existenzielle Nöte geäußert. Zum Glanz der Exponate wäre das Bestreben um zurückhaltende historische Klugheit gekommen. Dr. Josef Arquer, Berlin kultur

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