Im Namen des Volkes

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Bernhard R. aus Trier stellt eine Frage zum Medienrecht: Wie ist das eigentlich mit Straftätern, die rechtskräftig verurteilt worden sind und ihre Strafe verbüßt haben - darf die Zeitung in Berichten über solche Personen deren "dunkle Vergangenheit" erwähnen?Lieber Bernhard R.,das ist eine spannende Frage, die uns oft beschäftigt - und unsere Anwälte. Eine allgemeingültige Antwort gibt es nicht. Journalisten und ihre juristischen Berater müssen stets sorgfältig abwägen, ob sie in der Berichterstattung das Vorstrafen-Register aufgreifen oder nicht. Denn: Straftäter haben ein Recht auf Resozialisierung; sie dürfen verlangen, dass alte Geschichten nicht in die Öffentlichkeit gezerrt werden. Und: Wer einmal "vorbestraft" war, bleibt das nicht für alle Zeit. Dr. Holger Weimann ist einer der Münchner Medienanwälte des TV. Er zählt zu den Autoren des Standardwerks "Gerichtsreporter". Darin heißt es: Verurteilungen werden im Führungszeugnis nach einer bestimmten Zeit nicht mehr aufgenommen. Bei Freiheitsstrafen (außer "lebenslänglich") fünf bis zehn Jahre nach dem Urteil. Nur Schwerstverbrecher und besonders gefährliche Rückfalltäter gelten unbegrenzt als "vorbestraft". Manche Gerichte gehen davon aus, dass schon mit der rechtskräftigen Verurteilung das sogenannte "Informationsinteresse der Öffentlichkeit" endet. Das Bundesverfassungsgericht sieht dies allerdings nicht so eng, sondern stellt stark auf den Einzelfall ab und darauf, ob ein neuer Medienbericht die Resozialisierung des Straftäters eventuell gefährdet - sollte der "in ein schlechtes Licht gerückt" werden.Ohne aktuellen Anlass, schreibt Experte Weimann, darf auch über Schwerstverbrecher nicht namentlich berichtet werden. So war es beispielsweise unzulässig, mehr als 13 Jahre nach dem grausigen Geschehen über einen verurteilten Frauenmörder zu schreiben, der seine Opfer zerstückelt hatte. Der Name des Täters? Tabu.Doch wie immer bei juristischen Grundsätzen gibt es Ausnahmen. Zulässig ist die Erwähnung einer Vorstrafe, wenn ein aktueller Anlass dies rechtfertigt - etwa ein neues Ermittlungsverfahren. Voraussetzung wäre, dass ein "Vorgang von gravierendem Gewicht mit Informationsbedürfnis der Allgemeinheit" vorliegt und ein "Mindestbestand an Tatsachen für den Wahrheitsgehalt der Information" besteht, sagt Weimann. Der bloße Verdacht oder vage Hinweise genügen nicht, selbst dann nicht, wenn die Staatsanwaltschaft bereits ermittelt. Angesichts der mitunter sehr unklaren Rechtslage berät die Redaktion des TV das Vorgehen in juristisch heiklen Fällen stets mit erfahrenen Medienanwälten - damit die Berichterstattung "sauber" ist.Schönes Wochenende!Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur Lob, Kritik, Anregungen?E-Mail: forum@volksfreund.deFax: 0651-719917463Brief oder Postkarte:Trierischer Volksfreund, ForumHanns-Martin-Schleyer-Str. 854294 Trier

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