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Zum Artikel "Humanismus kontra künstliche Intelligenz" (TV vom 13. Oktober) und zu den Chancen und Risiken der vernetzten Welt diese Meinung:

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht 2014 an den US-Informatiker Jaron Lanier, was die Verlage überraschte, sodass seine drei Bücher kurzfristig kaum verfügbar waren. Der Volksfreund hat über die Verleihung ausgewogen und ausführlich berichtet. Was diese Ehrung Laniers besonders interessant macht, ist, dass ein Fachmann der digitalen Revolution, der selbst an der Einführung des World Wide Web mitgewirkt hat und noch heute bei der Microsoft Corporation in Berkeley mitwirkt, darüber jubelt ("Hurra!"), dass man einer großen Zahl von Menschen ein offenes und unstrukturiertes Informationsmittel zugänglich machte. Da die Leistungsfähigkeit des Computers eine exponentielle Wachstumsrate aufweist, müssen Entwickler und Programmierer bei ihren Konstruktionsentscheidungen extrem vorsichtig sein, da hierbei die Entscheidungen gewaltige Ausmaße für unser Leben annehmen können, da die Regeln unveränderlich sind. Die piepsige Midi-basierte Musik etwa ist vergleichbar mit einem Keyboardspieler, aber nicht mit der "aquarellartigen" Welt der Geige. Muss sich der Digitalkünstler nicht einfach mit dem Lock-in abfinden und das unendliche finite Konzept der Midi-Note akzeptieren? Lanier warnt vor den Auswirkungen des Internets auf das gesamte Leben, vor den Gefahren des permanenten Online-Seins und der Anonymität des Netzes. Dort wo zwischenmenschliche Interaktion notwendig wäre, wird es bei fragmentierter unpersönlicher Kommunikation bleiben mit quasi einer sehr schnell geschriebenen Schreibmaschinentastatur. Statt Menschen als Quelle ihrer eigenen Kreativität zu behandeln, präsentieren die auf Zusammenstellung ausgerichteten Sites anonymisierte Fragmente schöpferischer Leistungen, als wären sie vom Himmel gefallen. Lanier spricht von "virtueller Realität", die alle Bereiche des Lebens erfasst. World Wide Web schränkt die Individualität der Nutzer ein, sodass Lanier die Buntheit der Existenzen fordert, die einen Aufruf für einen digitalen Humanismus darstellt und die digitale Emanzipation fordert. Lanier ist selbst Musiker und gibt ein Beispiel auf der traditionellen Bambusflöte; außerdem ist er auch als bildender Künstler bekannt. Man darf nicht bei der Feststellung des Neurowissenschaftlers Spitzer stehenbleiben, Computer seien keine Lernmaschinen, sondern ganz im Gegenteil Lernverhinderungsmaschinen (Spitzer: Die digitale Demenz), was bewirkt, dass er dann seine Kinder vom Computer fernhalten will, was nur sehr kurzfristig möglich sein wird. Ansonsten ist die digitale Revolution positiv zu akzeptieren, indem man mit mentaler Stärke antwortet. Walter Krug, Trier

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