Jonathan in den Bergen

Jonathan erfüllte sich einen Wunsch. Er machte sich auf zu einer Reise nach Rom. Von Beruf war er Konditor und Bäcker, früher hatte er nie Zeit. Als Rentner nun wollte er selbst etwas erleben. Über das Internet lernte er Lucietta, eine Römerin, kennen. Seitdem schwärmte er nur noch von ihr.

Auf der Fahrt zu ihr hatte er schon einige Erlebnisse mit seinem alten Auto hinter sich. Im Heuschuppen von Bauer Sepp in Bayern träumte er von Luciettas Küssen, doch leider war es nur die Kuh Berta, die ihn aus seinen Träumen riss.
Nach der erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück, leider etwas spät am Morgen, verabschiedete sich Jonathan zur Weiterfahrt mit dem reparierten Auto in Richtung Italien. Bauer Sepp empfahl ihm die Fahrt durch die Schweiz. Mit dem mittlerweile aufgeladenen Handy und guter Laune im Gepäck, an diesem sonnendurchfluteten Tag, startete Jonathan in die Schweizer Berge. Gut gelaunt hörte er im Auto die CD mit der italienischen Folklore zum wiederholten Mal und war wieder in Gedanken bei seiner großen Liebe Lucietta.
Auf der relativ freien Landstraße kam er gut voran. Die Autofahrer bevorzugen doch lieber die Autobahn. Seine Sonnenbrille hatte er im Heuschuppen liegen gelassen. Vielleicht spazierte Berta schon mehrmals darüber, also fuhr er ohne Brille. Jedoch machte ihn das Blinzeln der Augen mit der Zeit müde. Darum beschloss Jonathan, eine kleine Rast einzulegen, schließlich war es ihm egal, wie lange es bis Rom noch dauern würde. In einem kleinen Ort in der Schweiz, vor einem alten Gasthof, machte er Halt. Er musste zunächst einmal mit dem Handy Lucietta anrufen, doch irgendwie kam keine Verbindung zustande. Ob er wohl die richtige Nummer gewählt hatte? Sie stimmte. Nach dem fünften Mal gab Jonathan auf, er probierte es später noch mal.
Jonathan vertrat sich etwas die Beine, da kam ein Mann auf ihn zu, ein junger Bergbursche, der ihn höflich auf Schweizerdeutsch grüßte. Er stellte sich mit Falk vor. Sie kamen ins Gespräch. Jonathan war ja so begeistert von den Bergen. Falk bot ihm schließlich an, ihn doch ein Stück des Weges in die Berge zu begleiten; und zwar bis zu einer Stelle, an der es einen phantastischen Panoramablick auf die Bergwelt gibt. Jonathan willigte sofort ein, obwohl sein Schuhwerk nicht passend war. Falk war ein super Gesprächspartner, als Bergführer kannte er die Region ganz genau. Er wusste alles über die Pflanzen- und Tierwelt in den Bergen. Jonathan erzählte ihm von Lucietta und dass er zu ihr auf dem Weg nach Rom sei. Die Atmosphäre und die gute Luft der Berge versetzten ihn noch mehr in Liebesgefühle zu Lucietta. Jonathan war frohen Mutes und genoss die frische Bergluft. Er wanderte eine Weile hinter Falk her. Als sie an einer Alm vorbei kamen, da bemerkte er die Schwere seiner Beine, irgendwas stimmte mit seinem rechten Fuß nicht.
Nur noch ein kurzes Stück bis zu dem besagten Ausblick. Es war wirklich atemberaubend, diese Schönheit der Berge, einfach unvergesslich! Falk zeigte ihm ein Rudel Steinböcke und sogar einen Adler. Jonathan war hin und weg.
Besinnlich wurde er und dachte: Hoffentlich bleibt diese wunderbare Flora und Fauna noch lange erhalten und wird nicht zerstört. Der Schutz der Umwelt müsse doch für alle Menschen, insbesondere für alle Politiker, oberstes Gebot sein.
Jonathan schloss sie in ein kleines Gebet ein, er bat auch um Wasser und Nahrung für alle Menschen und Tiere.
Er stellte sich vor, seine Lucietta stünde neben ihm, er wollte sie umarmen. In seiner Euphorie umarmte er deshalb Falk überschwänglich. Dieser blieb noch ein Weilchen und verabschiedete sich dann, denn er traf noch weiter höher auf eine Wandergruppe, die er zu führen hatte. Falk dachte, Jonathan fände schon alleine wieder hinunter.
Obwohl er etwas Schmerzen im Fuß verspürte, genoss er den Abstieg, er schaute nur nach oben und betrachtete die schneebedeckten Berge. Plötzlich rutschte er aus, wie auf einem Gletscher. Aber es war kein Gletscher, sondern ein riesengroßer Kuhfladen. Voller Schreck rutschte er noch einige Meter die Alm hinunter. Im Gras sitzend musste er laut lachen, denn er dachte im Moment nicht mehr an Lucietta, sondern an die Kuh Berta. Irgendwie verfolgte ihn die Kuh.
Völlig verdreckt und mit Gestank an seinen Klamotten, erreichte er das Schweizer Dörfchen. Erschöpft und mit Schmerzen ging er in den Gasthof hinein, um seine schmutzige Kleidung zu wechseln. Frische Wäsche hatte er aus seinem Auto herausgenommen. Fräulein Greti, die schon etwas betagte Wirtin vom Gasthof, empfing ihn sehr herzlich. Jonathan bat sie, sie möge doch gleich einen Doktor anrufen, wegen seines schmerzenden Fußes. Greti war sehr besorgt um ihn. Er saß in einem Hinterzimmer, als der Doktor nach geraumer Zeit eintraf und Jonathans Fuß versorgte. Es sei nichts gebrochen, aber er müsse den Fuß etwas schonen. Darum beschloss er gerne, eine Nacht im Gasthof zu bleiben.
Es war schon spät am Nachmittag, da versuchte er nochmal Lucietta telefonisch zu erreichen, es meldete sich eine Männerstimme. Jonathan war sehr erschrocken und machte sich nun große Sorgen um seine Lucietta. Der Mann sprach sehr schnell italienisch und Jonathan verstand nur Bahnhof. Was ist nur geschehen mit Lucietta, warum ging sie nicht ans Telefon?
Jonathan erzählte Greti, dass er auf dem Weg nach Rom sei, um dort Lucietta zu treffen. Er fand Greti sympathisch und fühlte sich sehr wohl in ihrer Nähe.
Am Nebentisch saßen Blasmusiker, die nach der Probe im Gasthof ihren Durst löschten. Jonathan landete inmitten der Musiker. Der Abend verging im Nu und es wurden Runden geschmissen, Bier floss reichlich. Greti musste Jonathan gelegentlich das Schwizerdütsch übersetzen. Es war lustig, alle sangen und einer begleitete auf der Tuba. Als Greti eine große Platte mit Schweizer Käse, Speck und Bauernbrot auf den Tisch stellte, bedankten sich die Musiker mit einem lustigen Jodler.
Jonathan fühlte sich sehr wohl in der Runde. Man könnte glauben, er und die Musiker wollten die Nacht zum Tag machen. Vor lauter Bier verspürte Jonathan auch keine Schmerzen mehr. Spät wurde es, aber irgendwie gelang es ihm doch, sein Zimmer zu finden. Am nächsten Morgen nun wurde er von Greti ganz liebevoll mit einem Glöcklein geweckt!
Trotz mancher Widrigkeiten genoss Jonathan die Reise. Wann erreichte er wohl Rom - und kam er überhaupt an?

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