Kein Revanchistin, sondern Realistin

Zum Artikel "Personalie Steinbach spaltet schwarz-gelbe Koalition" (TV vom 16. November):

Die Querelen um die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach, werden nach der unzweideutigen Stellungnahme des deutschen Außenministers gegen sie endgültig zur Peinlichkeit: Wenn der ihr zustehende Sitz im Rat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", die sie initiiert hat, nicht freiwillig von ihr geräumt werde, so "entscheide ich", wird Guido Westerwelle zitiert. Eine Feststellung dieser selbstherrlich-diktatorischen Art erinnert an die Vorgehensweise des Staatsratsvorsitzenden der DDR und kann nur als Fauxpas verstanden werden.

Sein Argument gegen Frau Steinbach, sie habe seinerzeit gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt und müsse daher auf ihren Sitz im Stiftungsrat verzichten, kommt einer Bestrafung gleich. Er würdigt dabei aber den Bundestag auf das Niveau der DDR-Volkskammer herab, wo die Deputierten so abzustimmen hatten wie vom Politbüro verlangt. Das deutsche Parlament jedoch räumt jedem Abgeordneten das Recht ein, nach seinem Gewissen auch gegen die Mehrheit zu stimmen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Die BdV-Vorsitzende - das ist festzuhalten - stimmte nicht mit der Mehrheit, weil damals eine Reihe von bilateralen Problemen noch nicht gelöst war. Sie ist nämlich keine Revanchistin, sondern Realistin.

Die Aufgabe des deutschen Außenministers muss es sein, Polen zu beschwichtigen und nicht dessen (unbegründete) Verdächtigungen zu nähren. Nicht Frau Steinbach nämlich stellt "ihre persönlichen Ambitionen über die Interessen Deutschland", wie die FDP ihr unterstellt, sondern der Außenminister frönt seinem Ehrgeiz, für Polen die Rolle zu spielen, die Adenauer für Frankreich bedeutete. Er übersieht dabei jedoch absichtlich, dass von Adenauer und de Gaulle Probleme ethnischer Natur nicht gelöst zu werden brauchten, weil es keine gab. Polen dagegen sieht sich mit der Tragik der Vertreibung von Millionen Menschen konfrontiert.

Doch geht es heute gar nicht mehr um Schuld oder Nichtschuld und schon gar nicht um Revanchismus, sondern darum, wie man Vergangenheit gerecht und vorurteilsfrei(!) aufarbeitet.

Axel Skubella, Konz

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