Koste es, was es wolle

Zum Artikel "Junge Menschen gefragt wie nie" (TV vom 28. September):

Vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels der Wirtschaft sind die Nachrichten über die Milliarden-Überschüsse der Agentur für Arbeit und die Diskussionslage der Bundesregierung über deren Verwendung ein Skandal. Es zeugt nicht von vorausschauender Arbeitsmarktpolitik angesichts der demografischen Entwicklung, wenn die Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung dabei auf der Strecke bleiben soll. Diese war einmal in den Zeiten des Arbeitsförderungsgesetzes (AfG) eine tragende Säule, die das Ziel hatte, der Wirtschaft die nötigen Fachkräfte zu beschaffen. In den 70er Jahren wurde dies noch mit bis zu 90 Prozent des letzten Lohnes gefördert. Aber auch die Wirtschaft selbst stellt sich beim plötzlichen Ruf nach Fachkräften selbst ein Armutszeugnis aus. Denn sie hat offensichtlich selbst ihren Nachwuchskräftebedarf auch nicht vorausschauend durch Schaffen von entsprechenden Ausbildungsplätzen über den gerade stehenden Bedarf hinaus sichergestellt. Festzustellen ist, dass Politik und viele Bereiche der Wirtschaft, mit Ausnahme des Handwerks, schlichtweg das Ziel verfehlt haben. Wie konnte es denn sonst zu diesem Fachkräftemangel kommen? In Sachen Weiterbildung und Qualifizierung rangiert Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern ganz weit unten. Viele Langzeitarbeitslose und Jugendliche haben keinen Schulabschluss oder keine Ausbildung. Eine Bankrott-Erklärung für eine Industrienation, deren Bevölkerung schrumpft. Wieder aktiv am Arbeitsleben teilhaben zu können ist das vorrangige Ziel einer solidarischen Gesellschaft und einer sozialen Demokratie. Je besser qualifiziert, desto geringer die Arbeitslosigkeit. Das bedeutet aber, sich ständig weiter zu bilden und die Bereitschaft und Fähigkeit, auf Neues einzugehen und bestehende Fähigkeiten weiter zu entwickeln und dies auch zu fördern. Das bedeutet aber auch, sich auf zielgruppengenaue Förderangebote zu konzentrieren, die sich eng an den Bedürfnissen von Wirtschaft und Unternehmen orientieren. Nur so können tragfähige Qualifizierungskonzepte, insbesondere für die älteren und behinderten Arbeitnehmer und Berufsanfänger ohne Erfahrung beziehungsweise beruflichen Abschluss, entwickelt werden. Koste es, was es wolle.Hans-Willi Triesch, Trier-Zewen Beschäftigung

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