Kultur

Zur Berichterstattung und zu Leserbriefen über die Querelen um das Theater Trier und seinen Generalintendanten Karl Sibelius:

"Wir wollen Theater neu denken. Also Kunst machen und nicht Massenware auf Nummer sicher abliefern", sagte Karl Sibelius der Deutschen Presse-Agentur, als er im vergangenen Sommer in Trier Intendant wurde. Das bedeute: erweiterte Sparten, mehr Musicals in neuer Lesart, Experimentelles und eine ganz neue Sparte mit Trierer Bürgern auf der Bühne. 35 Premieren, darunter etliche Uraufführungen auch mit großen Namen ... Das hatte er vor - gemeinsam mit einem engagierten Ensemble aus neuen und "alten" Mitgliedern. Der Stadtrat und der Stadtvorstand haben eben dies gewünscht und diesem Konzept den Zuschlag erteilt mit der Entscheidung für Karl Sibelius - und das haben Sibelius und das Ensemble auch realisiert. Sie haben dabei zunächst frei agiert und dem Publikum Neues präsentiert, haben polarisiert und klassische, "gediegene" Erwartungen durchaus enttäuscht zugunsten dessen, was angekündigt war, mit Können, Ideen und Spielfreude. Und jetzt - parallel zur Klausurtagung des Stadtvorstands am gleichen Wochenende - hat eben dieser Intendant mit eben diesem Ensemble das Programm der nächsten Spielzeit präsentiert. Ach ja, es sei noch angemerkt, dass konstruktive Kritik und Wünsche des potenziellen Trierer Publikums durchaus bei der Planung dieser neuen Spielzeit berücksichtigt und ernst genommen wurden. Und dieser Intendant steht am Pranger: dafür, dass er auch drastische und gesellschaftskritische Theaterkunst umsetzt, dafür, dass er ein beachtenswerter und vielseitiger Mime ist, der aber hier eher Kaufmann und Sparfuchs sein müsste, dafür, dass er auch Fehltritte wie das Stück "Die rote Wand" mitzuverantworten hat, dafür, dass er Victor Puhl falsch eingeschätzt hat, dafür, dass er horrende Defizite erwirtschaftet hat durch eben jenen Umstand, dass er sein angekündigtes Konzept, das die Stadt seinerzeit veranlasst hat, ihn einzustellen, tatsächlich umgesetzt hat und das Publikum es nicht würdigt, dafür, dass er, obwohl er Engagements junger Künstler, Theaterpädagogik und die Einbeziehung von Laien in Schauspiel, Gesang und Performance fördert, aber eben partout kein Publikum hinzuzugewinnen vermag. Ist er also nicht der richtige Intendant für Trier? Vielleicht sollte das Ensemble des Trierer Stadttheaters seine Präsentation des neuen Spielplanes noch einmal wiederholen. Diesmal in Anwesenheit aller Zweifler und Kritiker, Repräsentanten und Verantwortliche unserer Stadt eingeschlossen. Die Bürger bräuchten lediglich ihre Sinne zu öffnen, die Angst vor Konfrontationen mit ihren tieferen Empfindungen und ihren ungeliebteren Eigenschaften über Bord zu werfen, Herz und Verstand sowie ein wenig Humor, künstlerisches Interesse, Geduld und Toleranz mitzubringen, dann könnte das Theater wieder am richtigen Ort stattfinden und nicht auf dem Rücken von Karl Sibelius. Dieses Theater-Ensemble und dieser Intendant verdienen es, geachtet und beachtet zu werden. Gerhard Kress, Trier

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