Liebe Leserin, lieber Leser!

Was Andrea Ypsilanti und die hessische SPD derzeit veranstalten, ist ein Lehrstück, das jeder einigermaßen an Politik Interessierte in ganz Deutschland inzwischen nur noch mit zunehmender Fassungslosigkeit verfolgen kann.

Denn hier wird deutlich wie selten zuvor, was der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker gemeint hat, als er einmal sagte, manche Politiker seien "machtbesessen und machtvergessen".

Ausgerechnet die Wortbrecherin Ypsilanti, die noch vor der letzten Landtagswahl jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen hatte, um nach der Wahl genau das Gegenteil zu tun, wirft nun den vier SPD-Abgeordneten, die ihr dabei die Gefolgschaft und die Wahl zur Ministerpräsidentin verweigerten, Wortbruch vor. Und die Landespartei behandelt die Abweichler wie Aussätzige und veranstaltet gegen sie eine regelrechte Diffamierungskampagne bis hin zu vereinzelten Kriminalisierungsversuchen. Selten zuvor sind die Unabhängigkeit vom Volk gewählter Abgeordneter so gnadenlos mit Füßen getreten und das imperative Mandat (überspitzt gesagt: die Partei befiehlt, der Abgeordnete hat zu folgen!) so brutal eingefordert worden. Unfassbar dabei ist, dass der SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering dieses üble Spiel auch noch mitspielt. Wobei selbstkritisch anzumerken ist, dass das auch für Journalisten des Hessischen Rundfunks gilt.

Die Quittung dafür wird nicht ausbleiben. Und das Schlimme dabei ist, dass dies auch alle anderen Parteien und unser demokratisches System beschädigen wird. Denn noch mehr Menschen als bisher schon - vor allem jüngere - werden sich nach diesem Schauspiel mit Grausen von der Politik abwenden. Die Parteienverdrossenheit wird weiter rasant zunehmen. Andrea Ypsilanti jedoch lässt das - wie fast allabendlich in Fernseh-Talkshows zu sehen ist - völlig kalt. Hauptsache, sie hat ihr Amt als SPD-Landesvorsitzende für sich gerettet und kann einen leicht steuerbaren Schattenmann in den anstehenden Landtags-Neuwahlkampf schicken.

Bis zum nächsten Mal

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort