Lippenbekenntnisse

Zum Artikel "Krankenkassen droht Milliarden-Defizit" (TV vom 7. Oktober):

Nun ist also auch der hochgelobte Gesundheitsfonds, die Geheimwaffe von Schwarz-Rot gegen die Explosion der Krankheitskosten, am Ende, und überraschend ist das durchaus nicht. Steigende Kosten sind eben nur durch steigende Beiträge auszugleichen - bestenfalls kann man darüber diskutieren, auf welche Weise höhere Einnahmen erzielt werden sollen. Natürlich ist auch die Ausgaben-Seite zu beleuchten, aber es wird kaum möglich sein, die Seite der Leistungs-Erbringer dazu zu verdonnern, für Gotteslohn zu arbeiten.

Allerdings wird man der Pharma-Industrie auf die Finger sehen müssen und nur solche Produkte von den Kassen erstatten lassen, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist. Und die zu erstattenden Preise sollten danach bemessen werden, was sie günstigstenfalls in anderen Ländern kosten. Angeblich neue Arzneien, die nichts sind als bekannte Produkte in neuer Verpackung und mit anderem Namen, müssen durch eine zu erstellende Positivliste ausgeschlossen werden. Zugleich ist endlich eine heilige Kuh zu schlachten, die sich seit Jahrzehnten auf Kosten der Solidargemeinschaft mästet: die Freistellung der Versicherten von jeder Eigenverantwortung und Eigenvorsorge. Anders als in jeder sonstigen Versicherungsart kann der Krankenversicherte sein Leben gestalten wie er möchte - und die Solidargemeinschaft muss zahlen, wenn daraus ein Schaden entsteht. Wie kann es sein, dass es in Deutschland eine rasant steigende Zahl von Jugendlichen gibt, die mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden muss? Warum muss die Versicherten-Gemeinschaft für die Folgen von Fettleibigkeit, Bewegungsarmut, Drogenkonsum aufkommen?

Natürlich, jeder soll so leben, wie er will, aber nicht auf Kosten der anderen. Solange allerdings Abgeordnete des Deutschen Bundestages darüber zu befinden haben, wie die designierten sozialdemokratischen Spitzenleute, bleibt die Forderung nach Eigenverantwortung voraussichtlich ein Lippenbekenntnis. Leider gibt es in dieser Hinsicht im Bundestag eine partei- und fraktionsübergreifende Interessengemeinschaft.

Wolf-Rüdiger Wulf, Trier

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