Mehr als tausend Worte...

Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen - die Chefredaktion antwortet.

Mehrere Leser und Online-Nutzer setzen sich in Briefen an die Redaktion kritisch mit der Berichterstattung auf volksfreund.de auseinander. Die meistgestellte Frage: Bringt der TV mittlerweile zu jedem tödlichen Unfall in der Region eine detaillierte Bilderserie und ein Video? Sollte man nicht aus Pietät oder Respekt vor den Angehörigen auf Fotos mit blutverschmierten Airbags oder Sitzen verzichten?Liebe Leser,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Sie sprechen ein Thema an, das - ganz allgemein - viele Menschen bewegt: verstörende, grausige, abstoßende Bilder in den Medien. Schockierende Aufnahmen nicht nur von Unfällen, sondern auch von Kriegen und Katastrophen, von Hunger, Not und Elend. Diese Bilder bestimmen Tag für Tag die Nachrichtenlage, weltweit. Und Tag für Tag müssen Redakteure entscheiden, was Zeitungslesern, Fernsehzuschauern oder Internet-Nutzern zuzumuten ist.

Die Verantwortung ist groß, vor jeder Veröffentlichung ist sorgfältig abzuwägen: Welchen Nachrichtenwert haben die Bilder? Handelt es sich um Dokumente der Zeitgeschichte? Sind sie unverzichtbar, weil sie - ein Bild sagt mehr als tausend Worte - dazu beitragen, dass der Betrachter das Geschehen besser versteht? Ist das öffentliche Interesse an der Information stärker zu werten als der Schutz der Privatsphäre oder das Persönlichkeitsrecht? Werden die Gefühle von Angehörigen verletzt? Befriedigen die Bilder möglicherweise nur die Sensationslust von Voyeuren?

Einige Beispiele: Die Bilder von der Exekution des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein: ethisch grenzwertig, von einigen Boulevardzeitungen gedruckt, im TV nicht.

Die Bilder von Folter-Szenen im Gefängnis Abu-Ghoreib: abscheulich, aber notwendig. Ohne Veröffentlichung in den Medien wäre der Skandal um die Misshandlungen von Gefangenen durch US-Soldaten nicht aufgedeckt worden.

Die Bilder vom sechsfachen Mafia-Mord in Duisburg vor wenigen Tagen: blutüberströmte Leichen im ZDF-"heute-journal", im TV nicht abgedruckt.

Und die vielen "lokalen" Bilder von zertrümmerten Autos oder Motorrädern? Sie dokumentieren Ereignisse von öffentlichem Interesse: Unfälle werden von tausenden Menschen registriert, die in Staus stehen, die Polizei- und Rettungswagen sehen. Die Aufnahmen zeigen oft drastisch die Folgen von Leichtsinn, Raserei und Unaufmerksamkeit, sie wirken mithin abschreckend.

In der Zeitung ist der Platz begrenzt. Daher werden Unfall-Fotos im Internet veröffentlicht. Hin und wieder auch Videos, die den Online-Nutzern zusätzliche visuelle Informationen liefern, die ein Still-Bild nicht vermitteln kann. Bei all dem achtet die Redaktion streng auf die ethischen Grundsätze, insbesondere auf die Achtung der Menschenwürde: keine Fotos von Blutlachen, keine Nahaufnahmen von Verletzten, keine Leichen. In jedem Einzelfall gilt es, neu abzuwägen, sorgfältig zu prüfen - und zu entscheiden.

Das klingt hart, ist aber für Journalisten ein Teil des täglichen Auftrags, der da lautet: das Zeitgeschehen so wahrheitsgetreu wie möglich abzubilden, einzuordnen und zu analysieren.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur

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Trierischer Volksfreund, Forum

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54294 Trier

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