Muschelwährung und anderer Unfug

Bernd Wientjes schreibt in seinem Kommentar zum Ärzteprotest: "Die Ärzte dürfen den Bogen nicht überspannen." Er konstatiert zwar, dass es berechtigte Gründe gibt, gegen die Gesundheitsreform zu protestieren, aber Ärzte sollten nicht den Fehler machen, ihren Ärger über das Unvermögen der Politik und den Frust über die sicherlich nicht rosigen Bedingungen in ihrer Branche immer wieder auf dem Rücken der Patienten auszutragen.

Die Ärzte und ihre Vertreter überlegen sich sehr wohl, wann und mit welchen Mitteln sie protestieren und somit die Versorgung der Patienten an solchen Tagen nur notfallmäßig gesichert ist. Um es nochmals deutlich zu machen, um welche Fakten es geht, möchte ich einige Aspekte der Ärzteproteste wiederholen, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, die Ärzte wären plötzlich "streiksüchtig" geworden. Der demografische Wandel und der medizinische Fortschritt fordern ihren Tribut, denn immer mehr Patienten müssen in immer kürzerer Zeit versorgt werden. Die Arbeitsverdichtung nimmt zu. Keine andere Berufsgruppe mit ähnlich langer Ausbildung und entsprechend hoher Verantwortung (Anwälte, Architekten und so weiter) hat eine Gebührenordnung in "Muschelwährung", will heißen, wir werden nach Ablauf von jeweils einem Quartal irgendwann informiert, wie viel die erarbeiteten Punkte in Euro oder Cent Wert sein könnten. Darüber hinaus rauben zahllose Fortbildungen den letzten Rest an Freizeit. Auch die ständige Anschuldigung der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die ärztliche Selbstverwaltung sei Schuld an der schlechten finanziellen Verteilung der ärztlichen Honorare, kann nicht mehr hingenommen werden. Auch die neueste Behauptung, Ärzte hätten keinen Mut, Einsparungen vorzunehmen, klingt wie Hohn, denn dort, wo Mangel herrscht, ist von vornherein kein gerechtes Honorar und schon gar keine Einsparung mehr möglich. Ministerpräsident Kurt Beck hat zu Beginn der Ärzteproteste im vergangenen Jahr der Ärzteschaft signalisiert, dass die Politik unabdingbar die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen will, damit das hohe Niveau der deutschen Medizin in Europa erhalten werden kann. Nur, Herr Ministerpräsident: Die Rahmenbedingungen stimmen seit langem nicht mehr. Dr. med. Heinrich Hackenberg, Bezirksvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte in Trier, Stellvertretender Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte in Rheinland-Pfalz

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