Nicht anonym

TRIER. (-art) Wir laden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, zum Dialog ein. Sagen Sie uns Ihre Meinung! Das Motto: Leser fragen – die Chefredaktion antwortet.

Immer wieder erreichen den TV "Leserbriefe" ohne Absender - oder mit einem mutmaßlichen Fantasienamen unterschrieben - mit der Bitte um Veröffentlichung und der Zusatzbemerkung: Wegen der Brisanz des Themas müsse der Schreiber unerkannt bleiben. Warum werden solche Zuschriften nicht veröffentlicht? Sehr geehrter Anonymus, der Deutsche Presserat hat in seinem "Kodex" publizistische Grundsätze festgeschrieben. In der Richtlinie 2.6 zum Thema "Leserbriefe" heißt es unter anderem: "Bestehen Zweifel an der Identität des Absenders, soll auf den Abdruck verzichtet werden. Die Veröffentlichung fingierter Leserbriefe ist mit der Aufgabe der Presse unvereinbar." Anonyme Briefe enthalten mitunter interessante Hinweise und liefern Redakteuren womöglich eine Vorlage zur weiteren Recherche. So wie jene geheimnisvolle E-Mail vom vergangenen Mittwoch, gesendet um 21:37 Uhr aus einem Internet-Café; im Anhang: ein eingescanntes Flugblatt, das angeblich im Raum Bernkastel-Kues kursiert und in dem ein Unbekannter wüste Verschwörungstheorien aufstellt. Klingt nach James Bond, und doch liegt ein Körnchen Wahrheit darin - TV-Chefreporter Rolf Seydewitz hatte bereits vor Wochen die Spur in diesem "Fall" aufgenommen. Das Ergebnis seiner aufwändigen Recherchen lesen Sie heute auf der Titelseite und auf Seite drei. Als Basis für weitere Nachforschungen sind solche anonymen Zuschriften bisweilen spannend, für den Abdruck sind sie aber nicht geeignet. Die Meinung ist frei, doch falsche Tatsachenbehauptungen oder unbewiesene Vermutungen dürfen nicht verbreitet werden. Das heißt, auch für Leserbriefe: Fakten, Fakten, Fakten - deren Wahrheitsgehalt einer Überprüfung standhalten muss. Dieser Check ist schwierig oder gar unmöglich, wenn der Absender unbekannt ist. Ein anderes Beispiel: Dieser Tage erhielt ich einen "Leserbrief", in dem angeblich hanebüchene Zustände in einer Justizvollzugsanstalt angeprangert werden, allerdings nicht konkret. Unterzeichner: Holger Meins. Aha. Der RAF-Terrorist gleichen Namens starb 1974 in der JVA Wittlich nach wochenlangem Hungerstreik. So ist es häufig: Anonyme Tippgeber rühmen sich mit Wissen über vermeintlich skandalöse Vorgänge, die unbedingt in der Zeitung aufgedeckt werden müssten. Beweise liefern sie in den seltensten Fällen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir solche Zuschriften nicht als Leserbrief abdrucken. Wer uns vertrauliche Hinweise geben möchte, braucht nicht zu fürchten, dass sein Name bekannt wird. Grundsätzlich geben wir Informanten nicht preis - ein wichtiges Element der im Grundgesetz verbrieften Pressefreiheit. Und das Redaktionsgeheimnis bleibt selbst vor Gericht tabu. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Peter Reinhart, stellvertretender Chefredakteur Fragen zur Zeitung? Lob, Kritik, Anregungen? Schreiben Sie uns. E-Mail: forum@volksfreund.de Fax: 0651-7199-409 Brief oder Postkarte: Trierischer Volksfreund, Forum Hanns-Martin-Schleyer-Str. 8 54294 Trier

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