Niemand hört den Notruf

Soziales

Zum Artikel "Im Land fehlen Tausende Pfleger" (TV vom 8. Nov.):
Dass der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft zunimmt, ist keine Binsenweisheit, sondern seit Jahren bekannt. Es wird schon zu lange an dem Problem herumgedoktert. Maßnahmen wie Imagekampagnen oder ungelernte Assistenzkräfte zu schulen sind bisher nicht zielführend gewesen. Wenn letzterer Vorschlag auch noch von der Vorstandsvorsitzenden der Pflegegesellschaft Rheinland-Pfalz kommt, scheint man den Ernst der Lage dort nicht begriffen zu haben; auch vor dem Hintergrund, dass diese Institution sich mit Fort- und Weiterbildungen der Pflegekräfte beschäftigt.
Die Vorschläge des Vorsitzenden der Landespflegekammer sind da schon pragmatischer, müssten aber konkretisiert werden. Eine Erhöhung des Stundenlohnes um x Prozent und ordentliche Zulagen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, so wie es in der freien Wirtschaft üblich ist. Auch Pflege ist hoch qualifizierte Facharbeit und sollte als solche bezahlt werden. In der Grenzregion könnte man sich dann möglicherweise gegen den Luxemburger Arbeitsmarkt behaupten. Das Kernproblem bleibt die schlechte Bezahlung, kombiniert mit dauernder Überbelastung.
Die Vogel-Strauß-Haltung der Verantwortlichen bringt das "Schiff Pflegenotstand" in absehbarer Zeit endgültig zum Kentern. Die Politik muss Verantwortung übernehmen und die finanziellen Rahmenbedingungen für gezielte Maßnahmen - etwa die Anhebung der Krankenkassenbeiträge - schaffen. Dies hängt auch von der Wertschätzung gegenüber den Pflegekräften in der Gesellschaft, der Krankenhausleitung und anderer medizinischer Berufe wie den Ärzten ab.
Das Gesundheitssystem setzt ganz andere Akzente. Man wirbt mit aufwendiger Diagnostik und Therapie, aber nicht mit zugewandter Pflege oder ausreichend Pflegepersonal, das genügend Zeit für die Betreuung des Patienten hat. Ethische Werte müssen mindestens gleichrangig bewertet werden. Der Vorschlag Pflege 2.0, also die Digitalisierung in der Pflege, wird die Personalprobleme nicht lösen können. Natürlich braucht es Professionalisierung, doch letztendlich braucht es Menschen, die am Kranken- und Pflegebett die anfallenden Tätigkeiten übernehmen. Der Pflegenotstand wird zum x-ten Mal ausgerufen, aber den "Notruf" hört niemand!
Marco Hensel (Mitglied OGBL Luxemburg, Syndikat Gesundheit und Sozialwesen)
Langsur

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort