Ohne Ansehen der Person

In selten erlebter Voreingenommenheit hat der Trierische Volksfreund in mehreren Artikeln den Eindruck zu erwecken versucht, der Angeklagte sei als unbequemer Rechtsanwalt Opfer überschießender Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft.

Hierzu eine Klarstellung: Die Staatsanwaltschaft ist zur Verfolgung aller Straftaten ohne Ansehen der Person verpflichtet. Dabei spielt es selbstverständlich keine Rolle, ob es sich bei dem Beschuldigten um einen erfolgreichen Rechtsanwalt handelt oder um einen solchen, der sich lediglich dafür hält. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Verstrickung des Rechtsanwalts in die Absprache unwahrer Zeugenaussagen vorgelegen hat, muss die Staatsanwaltschaft von Gesetzes wegen einschreiten. Sie hat die besondere Bedeutung der Sache zu bejahen und zur Strafkammer anzuklagen, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen in der Öffentlichkeit bekannten Rechtsanwalt handelt, dessen mutmaßliche Verfehlungen als gravierend einzustufen sind. Dies war hier der Fall. Der Zeugenbeweis ist das wichtigste und häufigste Beweismittel in der Strafprozessordnung. Wenn sich ein Rechtsanwalt an der unlauteren Einwirkung an der Integrität dieses wichtigen Beweismittels beteiligt, hat die Staatsanwaltschaft einem solchen Verhalten große Bedeutung beizumessen. Diese Auffassung hat übrigens die angerufene Strafkammer geteilt und das Hauptverfahren eröffnet. Im jüngsten TV-Bericht befasst sich der Redakteur ausführlich und kritisch mit einer Äußerung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, der in einem Rechtsgespräch auf der Suche nach Möglichkeiten, das Verfahren im Interesse aller fortführen zu können, eine bestimmte Auffassung vertrat, nach Erörterung der Sach- und Rechtslage aber selbst der Aussetzung des Verfahrens nicht entgegentrat. Letzteres verschweigt der Redakteur, dem anscheinend auch die Einlassung des Angeklagten nicht erwähnenswert erschien. Der Angeklagte hat nämlich geäußert, er selbst sei auf die Idee gekommen, eine Vernehmung des Zeugen, dessentwegen es zur Aussetzung des Verfahrens kam, zum Anlass für ein Befangenheitsgesuch gegen den früheren, inzwischen verstorbenen Vorsitzenden der Strafkammer zu nehmen. Er habe den Zeugen darin bestärkt, den Vorsitzenden zu provozieren, um diesen wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen zu können. Dieses Vorgehen, welches der Angeklagte selbst als "etwas suspekt” bezeichnet, ist nicht mehr weit entfernt von dem eigentlichen Tatvorwurf. Die von dem Angeklagten selbst eingeräumte Beteiligung an einem anrüchigen "Befangenheitskomplott” belegt eine erschreckende Distanzlosigkeit zu einem Zeugen, auf dessen Angaben allein die staatsanwaltschaftliche Anklage selbstverständlich nicht gestützt ist. Dies umso mehr, als ihm nach eigener Einlassung bekannt war, dass der Zeuge von dem Vater des Angeklagten für seine entlastende Aussage Geld verlangt hatte. Die bemerkenswerte Einlassung des Angeklagten war aber dem TV keine Erwähnung wert. Sie hätte der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden dürfen. Horst Roos, Leitender Oberstaatsanwalt, Staatsanwaltschaft Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort