Politik

Zum Artikel "Ärzte kassieren hohe Honorare in Unterkünften" (TV vom 30. Dezember) und zu den Leserbriefen "Verzerrt" (TV vom 6. Januar) diese Reaktionen:

Im September 2015 habe ich mich entschlossen, die Berichte zu den Kriegsflüchtlingen in den Medien nicht mehr länger nur anzusehen. Einen halbwegs freien Nachmittag in meiner Praxisarbeit nutze ich nun und biete eine Sprechstunde von zwei Stunden jede Woche in der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier an. Die Arbeit macht mir große Freude, das Team der AfA leistet eine großartige Arbeit, und die Rückmeldung der Menschen, die wir versorgen, ist sehr positiv. In der Tat bekomme ich dafür eine Aufwandsentschädigung von 100 Euro die Stunde, vom Land bezahlt. Seit der Veröffentlichung des besagten Artikels im TV werde ich nun ständig von deutschen Mitmenschen und Patienten mit einem spöttischen Lächeln gefragt, ob ich mir "eine goldene Nase verdienen wolle". Entsprechende Leserbriefe suggerieren unredliches ärztliches Handeln, "man solle sich schämen". Dazu möchte ich Stellung nehmen: Die Rechnung ist recht einfach, wenn man sich die Mühe macht, nachzudenken. Von den 100 Euro bekommt der Staat 50 Euro in Form von Steuern wieder von mir zurück. In einer Stunde schaffe ich es, hintereinander acht bis zehn Patienten mit verschiedenen Leiden zu versorgen. Macht fünf bis sechs Euro pro Patient. Das ist wirklich viel Geld für eine möglichst gute Medizin unter erschwerten Bedingungen, aber unverändert zu tragender medizinischer Verantwortung! Die Kollegen der angeführten ärztlichen Notfallzentrale haben eine Rufbereitschaft, bekommen 50 Euro/Stunde, unabhängig davon, wie viele Patienten kommen, auch wenn sie Glück haben und die ganze Nacht dafür schlafen konnten. Äpfel und Birnen also. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat erst kürzlich in einem Rundschreiben an alle Ärzte um Mithilfe gebeten, da nicht genügend Fachpersonal für die notwendige Versorgung der Flüchtlinge vorhanden ist. Das sind die Fakten. Der Artikel ist aus meiner Sicht als vor Ort tätiger Arzt nicht objektiv, sondern verzerrend tendenziös und in hohem Maße populistisch. Er entstammt einer Anfrage der CDU an das Gesundheitsministerium Rheinland-Pfalz, die Gründe und die Stoßrichtung für diese Aktion sind doch offensichtlich. Und prompt springen dann auch noch die richtigen Leute auf (unsere Leserbriefschreiber zum Beispiel). Ein wirklicher Bärendienst für alle Tätigen und Bemühten! Nun, ich werde mit meiner Arbeit in der AfA weitermachen, und ich mache sie gerne. Wenn ich das große Geld verdienen wollte, sollte ich meine KV-Zulassung aufgeben, mich nur noch den Privatpatienten widmen oder sonstige lukrative Wege beschreiten, die es mit meiner Ausbildung wahrscheinlich nicht gibt. In der AfA würde ich nicht arbeiten. Ich biete den Damen und Herren der CDU und allen, die sich zu Wort melden, aber nicht auskennen, gerne an, mich bei meiner Sprechstunde zu begleiten, um die Wirklichkeit zu sehen. Und den Duponts und Haubrichs dieser Welt schlage ich vor, zu kommen und sich aktiv einzubringen, Aufgaben gibt es genug. Das entlastet alle Beteiligten und ist sicherlich sinnvoller, als in dieser sowieso schon schwierigen Situation zuhause sitzend weiter Öl ins Feuer gießen zu wollen. Dr. med. Hans-Peter Laubenstein, Trier In der Autowerkstatt zahlen wir 100 Euro und mehr für eine Meisterstunde, ein mittelklassiger IT-Spezialist verlangt ungeniert 200 Euro Stundenlohn. Sind vor diesem Hintergrund 200 Euro für eine Arztstunde wirklich unangemessen und von unersättlicher Geldgier getragen? Ganz gewiss wird die Mehrzahl der helfenden Ärzte deutlich geringer bezahlt, mir sind Beträge von 50 Euro pro Stunde bekannt, manche wollten das so verdiente Geld spenden. Ärgerlich finde ich allerdings die Ungleichbehandlung innerhalb des Bundeslandes. Sehr viele Ärzte haben sich zur ehrenamtlichen unentgeltlichen Hilfe gemeldet, lange bevor überhaupt von Honoraren die Rede war, und arbeiten weltweit in Krisengebieten idealistisch und selbstlos, um Notleidenden unter schwierigsten Bedingungen und erheblichem Risiko für das eigene Leben und die Gesundheit zu helfen. Unzweifelhaft bereichern sich unzählige Menschen und Firmen an der Flüchtlingssituation und nutzen die Notlage aus, etwa bei der Bereitstellung von Wohnraum oder der Ausstattung von Unterkünften; den Ärzten ist meines Erachtens so pauschal keinesfalls ein Vorwurf zu machen. Ich möchte daran erinnern, dass sie und ihre Organisationen zu den ersten gehörten, die sich beteiligten, Hilfen zu organisieren und Solidarität mit den Flüchtlingen einzufordern. Das "Ärzte-Bashing" ist eine momentane Zeiterscheinung, die der Realität des Alltags selten gerecht wird! Dr. med. Axel Steinke, Veldenz, Vorsitzender der Kreisärzteschaft Bernkastel-Wittlich

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