Raffe und genieße!

Zu "Eskalation der Gewalt" und "Illegale Rallye" (TV vom 1./2. Mai):

"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!" Goethes lyrische Aufforderung wird durch das Motorengebrumme PS-starker Nobelkarossen bis zur Unhörbarkeit überlagert, von Menschen ignoriert, die mit rücksichtslos überhöhter Geschwindigkeit Europas Landstraßen zu lebensgefährlichen Orten werden lassen, während sie gleichzeitig von den Schmerzensschreien brutal zusammengeschlagener Passanten weggedrückt wird: So könnte - etwas überspitzt - das dennoch in sich stimmige Szenario unserer Zeit aussehen. Warum ist das so? Der große Dichter, auch Denker, gibt dazu seinen zeitüberdauernden Kommentar: "Denn unfühlend ist die Natur: Es leuchtet die Sonne über Bös und Gute, und dem Verbrecher glänzen wie dem Besten der Mond und die Sterne." Wo Goethe Recht hat, da hat er Recht, aber muss das so sein? Wo liegen die Gründe für die überhebliche Rücksichtslosigkeit der einen - der Reichen und Mächtigen - wie für die brutale körperliche Gewalt - der vermutlich Armen und Machtlosen - gegenüber schutzlosen Passanten, besser: ebenso machtlosen Mitmenschen irgendwo zwischen den Fassaden schmuckloser Wohnhäuser? "Heil den unbekannten höhern Wesen, die wir ahnen! Ihnen gleiche der Mensch!", so fordert der Dichter weiter in seinem Gedicht "Das Göttliche". Wo aber "das Göttliche" keine Rolle mehr spielt, keine Wirkkraft mehr entfalten kann, weil der Mensch sich selber zum Maßstab setzt und "jene höhern Wesen" anzweifelt, leugnet, ignoriert, wo Gottgläubigkeit und Gottesfurcht fehlen, wo stattdessen der neue Götze "Mammon" immer ungenierter sein "Raffe und genieße! Konkurriere und gewinne!" einfordert, da können sich Überheblichkeit und Rücksichtslosigkeit, Gefühllosigkeit und Brutalität, Mitleidlosigkeit und Furcht ausbreiten - weltweit. Zum menschengemachten Klimawandel gesellt sich der menschengemachte "Werte"-Wandel. Schöne, neue Welt?Helmut Michael Wilmes, Ralingen kriminalität

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