SOZIALES

Zum Artikel "Was Eltern hindert, mehr zu arbeiten" (TV vom 21. Oktober) diese Meinungen:

Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer machen die starren Betreuungszeiten in unseren Kitas dafür verantwortlich, dass Eltern weniger arbeiten können. Auch die Fachkräftesicherung wird an der angeblich unflexiblen Betreuungssituation festgemacht. Ist es nicht eher so, dass das oftmals starre Verhalten von Arbeitgebern nicht mehr zur heutigen Lebens- und Arbeitswelt passt und unflexible Arbeitszeiten eine Sackgasse für Eltern und hoch qualifizierte weibliche Fachkräfte sind? Wo bleibt die Bereitschaft der Arbeitgeber, sich mehr an den Bedürfnissen der Familien zu orientieren, damit es Fachkräften möglich ist, in einen vorübergehenden Zeitraum den Beruf in Teilzeit oder Telearbeit ausüben zu können? Ist es nicht auch bei Arbeitgebern nur eine Frage der Organisation, die Arbeitswelt an die Bedürfnisse von Familien anzupassen? Wie sieht es mit der Wertschätzung von Familienarbeit aus, bei Einstellungen, bei Beförderungen, bei Führungsaufgaben, bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen, bei der Unterstützung der Elternzeit für Mütter und Väter? Ich wage zu behaupten, dass viele Menschen, besonders Alleinerziehende, auch deshalb nicht oder im angestrebten Umfang arbeiten können, weil es auf dem Arbeitsmarkt an Akzeptanz fehlt, etwa wenn Mutter oder Vater ausfallen, weil das Kind krank ist, wenn Eltern nicht so flexibel einsetzbar sind, und, und, und ... Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur von flexiblen und längeren Öffnungszeiten der Kindertagesstätten abhängig. Hier sind insbesondere auch Arbeitgeber in der Verantwortung. Darüber sollten sich Herr Alt und Herr Kramer Gedanken machen, denn auch eine familienfreundliche Arbeitswelt ermöglicht es Eltern, "mehr zu arbeiten". Warum arbeiten die meisten Erzieherinnen, so wie es im Artikel ausgesagt wird, in Teilzeit? Vielleicht haben gerade die Träger der Kindertagesstätten, also die Arbeitgeber der Erzieherinnen, in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Nase vorn. Liesel Bast, Hosten Kennen Sie die Geschichte von Momo? Michael Ende hat sie 1973 geschrieben. Da war die Welt für die Kinder noch weitestgehend in Ordnung. Aber Michael Ende hatte schon eine Vorstellung davon, in welche Richtung die Gesellschaft sich entwickeln wird: "Eine gespenstische Gesellschaft geheimnisvoller grauer Herren veranlasst immer mehr Menschen, die Zeit zu sparen. Aber Zeit ist Leben. Beherzt nimmt Momo, die struppige kleine Heldin der Geschichte, den Kampf gegen die Zeit-Diebe auf, um den Menschen die gestohlene Zeit zurück zu bringen" (Klappentext "Momo" von Michael Ende). Ist es nicht erschreckend, wie die Szenarien sich inzwischen ähneln, obwohl die Geschichte der mutigen kleinen Momo nur der Fantasie eines "Geschichtenerzählers" entsprungen ist? Was für Michael Ende reine Fiktion war, ist für unsere Kinder heute bitterer Ernst geworden! Sie verbringen die überwiegende Zeit ihrer Kindheit in Betreuungseinrichtungen. Gehe oder fahre ich durch Ortschaften, sehe ich dort keine Kinder mehr auf den Straßen spielen (aber genauso sehe ich dort auch kaum noch alte Menschen!). Sie sind weg. Sie sind aber nicht nur weg aus den Orten, sondern auch immer mehr weg aus unserer Wahrnehmung. Es wird der Gesellschaft suggeriert, dass Kinder Stolpersteine auf dem Weg zu einer erfolgreichen Karriere sind. Mich wundert es nicht, dass immer weniger Frauen Kinder bekommen wollen, bei den Aussichten! Ich kenne aber auch sehr viele Frauen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen würden, doch die sagen zu mir: "Warum soll ich denn ein Kind bekommen, wenn ich es schon so früh bei fremden Menschen abgeben muss und es nicht selbst erziehen kann? Dann bekomme ich lieber keine Kinder!" Wann wird die Gesellschaft endlich begreifen, was sich Eltern und potenzielle Eltern wünschen, damit sie eine große Familie gründen können? Mit verlängerten Öffnungszeiten der Kitas ist es nicht getan! Was nützt es mir, wenn die Kita eine "Rund-um-die-Uhr-Betreuung" auch am Wochenende anbietet, aber die Schulen 13 Wochen im Jahr schließen? Soll ich meinen Erstklässler dann den ganzen Tag alleine zuhause lassen? Wohin mit meinem kranken Kind? Was haben mein Kind und ich noch voneinander, wenn ich 40 Stunden pro Woche arbeite, danach den Haushalt in Ordnung bringen und mich vielleicht noch um meine pflegebedürftigen Eltern kümmern muss? Puh, das wird eng! Schlimm, dass unsere Kinder keine mutige Momo haben, die für sie kämpft, damit sie ihre Zeit wiederbekommen! Schlimm, dass sich Eltern schämen müssen, die ihren Kindern ein sicheres Nest bieten und sie "beglucken" möchten! Schlimm, dass unsere Gesellschaft und unsere Orte so leblos geworden sind! Wenn ein Kind in die Familie geboren wird, ändert sich das Leben grundlegend. Es wird so viel lebenswerter, lebendiger und wertvoller! Kerstin Kröffges-Hahn, Wallscheid

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