Schieflage im System
Es ist schlimm, wie Redakteur Bernd Wientjes mit wissensfreier Stimmungsmache gegen das dreigliedrige Schulsystem vorgeht. Ich erwarte von Kommentaren in einer Regionalzeitung eine differenzierte Betrachtungsweise beim Thema Bildungspolitik.
Man muss festhalten, dass das dreigliedrige Schulsystem einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran hat, dass Deutschland zu einer der größten Volkswirtschaften der Erde wurde, weil jeder Schüler gemäß seinen Begabungen angemessen gefördert wurde. Zum einen hat die Vergangenheit gezeigt, dass Grundschullehrer bei der Schullaufbahnempfehlung überwiegend richtige Entscheidungen getroffen haben. So genannte Spätzünder bekamen im äußerst durchlässigen System immer wieder ihre Chance, wie unzählige berufliche Karrieren über den zweiten Bildungsweg beweisen. Zum anderen zeigt doch die Evaluierung der Gesamtschulen, die nach der Pisa-Studie in der Leistungsfähigkeit hinter den Realschulen und Gymnasien liegen, welcher schulische Niveauverfall mit nur dieser Schulform zu beklagen wäre. Die jetzige Schieflage im System (zu wenige Hauptschüler, zu viele Gymnasiasten) ist meines Erachtens darauf zurückzuführen, dass die Hauptschule schon seit Jahren von linken politischen Kräften schlecht geredet wird und somit Eltern unter Druck geraten, weil sie ihr Kind dort nicht anmelden können, ohne schief angesehen zu werden. An Gymnasien ist dagegen zu beobachten, wie Jahr für Jahr die Schülerzahlen steigen, aber gleichzeitig die Abbrecher- und Abgängerquote wächst oder Schüler das Abitur vermehrt nicht bestehen. Selbst wenn diese die Hochschulreife erreichen, bedeutet das leider noch lange nicht, dass sie studierfähig sind; eigentlich ist dies aber der Sinn des Abiturs. Die Hauptschule hat immer noch ihre Berechtigung, Schüler auf unzählige Lehrberufe vorzubereiten, für die ein Abitur überhaupt nicht vonnöten ist. Dazu muss ihr eine Chance gegeben werden: mit mehr ausgebildetem Fachpersonal, darunter Sozialarbeiter, mit mehr Ganztagsangeboten in diesem Schulzweig und engeren Abstimmungen mit den Unternehmen vor Ort, um eine höhere Vermittlung von Absolventen zu erreichen. Moritz Petry, Holsthum