Seicht affirmierte Textkästchen

Zum Artikel "Missverständnis mit tödlichen Folgen" (TV vom 25. Februar):

Waren Dieter Lintz und ich in der gleichen Butterfly? Diesen Abend habe ich anders erlebt - unter anderem in interpretatorischer Hinsicht, zeigt doch Schinew einfühlsam und schonungslos zugleich, wie sich der verwöhnt und narzisstisch wirkende Pinkerton der Cio-Cio-San bemächtigen will: Gleich zu Beginn muss ihn auf peinliche Weise der Konsul zurückhalten, die zarte Aura der Butterfly durch verfrühte Zärtlichkeiten zu zerstören - zwecklos, denn der Amerikaner bemächtigt sich wenig später seiner gekauften Braut. Kein einziges Wort der Zuwendung oder Einfühlung, nur tödliche Bewunderung finden sich sowohl im Libretto als auch in der minutiös und präzise durchgearbeiteten Personenregie Schinews - wo bitte ist hier die "tatsächliche Liebe", von der die Kritik spricht? Und als vor seinen Augen Butterfly aus der japanischen Gesellschaft ausgestoßen und seine Hochzeit sich in ein Desaster verwandelt, verfolgt der Amerikaner seinen Kurs weiter - ohne Rücksicht auf Verluste!Und dann diese recht eigentümliche Sängerbesprechung: Was ist beispielsweise mit Peter Koppelmanns Goro, den er auf unnachahmlich schmierige Weise, die trotz aller Vitalität nie zur Karikatur und damit zum Verlust der tragischen Spannung führt, darstellte? Und was mit dem Konsul, der so sympathisch einfühlsam mit dem Kind spielt, während er sich auf merkwürdige Weise zum Komplizen Pinkertons machen lässt? Ein Mann, jovial, stark und schwach zugleich - hervorragend verkörpert durch Laszlo Lukacs? Beide dürfen sich ein Neuntel des pauschalen Adjektivs "hervorragend" gönnen und in Klammern einsperren lassen...Vielleicht sollte man einer differenzierten Kritik im TV mehr Platz als die eine Seite einräumen und einige der seicht affirmativen Textkästchen weglassen, um den Geruch einer "provinziellen" Kritik entgegenzuwirken. Im Trierer Theater gibt es enormes künstlerisches Potenzial - und eine Zeitungskritik sollte ein adäquates Niveau aufweisen!Christoph Günschmann, Trier theater

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