Späte Quittung für die Basta-Politik

Zum Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl:

Katastrophe, aber gleichzeitig Chance: Obwohl vor der Wahl ein schlechtes Ergebnis erwartet, glaubte ich nicht an einen solchen Absturz. Zu präsent die Erinnerungen an die gelungenen Endspurte der SPD 2002 und 2005. Und dennoch eine konsequente Entwicklung, die sich die Sozialdemokraten selbst zuzuschreiben haben. Es ist die späte Quittung für die "Basta"-Politik der Schröder-Müntefering-Steinmeier-Führungsclique und die Verweigerung der Anerkennung einer Partei links der SPD. Gleichzeitig ist dies aber eine einmalige Chance für einen Erneuerungsprozess, den die SPD eigentlich schon seit vier Jahren nötig hat.

Klar ist: Ein "Weiter so" darf es nicht geben. Die Partei muss sich neu ausrichten, inhaltlich wie personell. Wenn die SPD es ernst mit ihrer Erneuerung meint, müssen Köpfe rollen - Müntefering und Steinmeier müssen weg!

Zusätzlich bedarf es einer programmatischen Neuausrichtung. Die Wähler haben gezeigt, dass sie Union und FDP - Parteien der Mitte oder rechts der Mitte - wahrnehmen. Die SPD muss sich also links der Mitte positionieren. Das bedeutet aber, dass die Sozialdemokraten die Linke als Koalitions-Option anerkennen, und das heißt andererseits, dass sich Lafontaine und Gysi nicht länger den wirtschaftlich-gesellschaftlichen Realitäten verweigern dürfen und koalitionsfähig werden müssen. Die guten Chancen der SPD begründen sich zusätzlich aus den radikalen Einschnitten, die die Legislaturperiode mit sich bringen wird. Sie wird den Kopf für gebrochene Steuerverbrechen nicht hinhalten müssen, im Gegenteil, sie muss sich wieder auf das "S" in ihrem Namen zurückbesinnen. Und schließlich darf man nicht vergessen: Auch der mittlerweile inhaltsschwache Kanzlerwahlverein von Angela Merkel hat das zweitschlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit eingefahren. Westerwelle wird die Kanzlerin in den nächsten vier Jahren gehörig vor sich hertreiben. Ob die SPD all dies in Chancen umzuwandeln weiß, werden die Landtagswahlen in NRW 2010 zeigen. Die Ausgangsbedingungen für eine Konsolidierung und Wiedererstarkung der SPD waren nie besser.

Tim Roth, Trier

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