Steuerfahnder dürfen alles …

Finanzen

Zum Kommentar "Das Schreckgespenst für schwarze Schafe" und zum Thema Steuerbetrug (TV vom 11. Mai):
Um es vorweg zu sagen: Ich habe kein Mitleid mit Steuer-Betrügern, die aus Angst vor Entdeckung zum Mittel der Selbstanzeige greifen. Erst recht nicht mit denjenigen, die den Fahndern ins Netz gehen und ihrer gerechten Strafe zugeführt werden - auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit. "Otto Normalverbraucher" muss auch seine Steuern bezahlen und wird als Steuersünder verfolgt, wenn er zum Beispiel bei den Werbungskosten schummelt.
Steuerbetrug in großem Stil ist kein Kavaliersdelikt und muss verfolgt werden. Aber bitte mit rechtsstaatlichen Mitteln! Es verstößt gegen die Grundsätze des Rechtsstaates, wenn sogenannte Steuer-CDs gekauft werden - und zwar von Leuten, die sich ebenfalls strafbar gemacht haben (Diebstahl, Verstoß gegen Datenschutzgesetze und so weiter). Für Delikte, die ansonsten verfolgt und bestraft werden, zahlen die Finanzbehörden Millionen. Der Staat wird zum Hehler. Alles für den "guten Zweck".
Die von Stefan Vetter geäußerte Meinung ist durchaus populär. Aber ist sie unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten auch richtig? Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Nein! Der Rechtsstaat muss es aushalten, wenn Verstöße gegen Recht und Ordnung nicht verfolgt werden können, weil man der Täter mit erlaubten Mitteln nicht habhaft werden kann oder Taten nicht nachgewiesen werden können. So wird doch immer wieder argumentiert, wenn Schwerstverbrecher wie Mörder, Kinderschänder oder Vergewaltiger nicht überführt oder nicht eingesperrt werden können, weil dies mit zulässigen Methoden nicht möglich ist.
Beweise, die nicht rechtsstaatlich "sauber" zustande gekommen sind, dürfen vor Gericht nicht verwendet werden. Für Opfer und Hinterbliebene ist es oft unerträglich, wenn die Täter nicht zur Verantwortung gezogen und vielleicht weitere Verbrechen nicht verhindert werden können, nur weil der Rechtsstaat an seine Grenzen stößt. Der Fall Jakob von Metzler dürfte noch in guter Erinnerung sein. Bei diesem traurigen Fall der Frankfurter Kriminalgeschichte aus dem Jahr 2003 wurde sogar der stellvertretende Polizeipräsident strafrechtlich verfolgt, weil er das Leben des Entführten elfjährigen Jungen retten wollte - mit fragwürdigen Methoden. Und: Wie sieht es aus, wenn es darum geht, Terroranschläge zu verhindern und damit Leben und Gesundheit vieler Menschen zu retten? Wie weit dürfen Persönlichkeitsrechte und die rechtsstaatlich garantierte Freiheit für den "guten Zweck" eingeschränkt werden?
Die Diskussion über die Grenzen der zulässigen Prävention ist aktueller denn je. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel! Ausgenommen "natürlich" für den Fiskus, wenn es um das Eintreiben von Steuern geht? Steuerfahnder dürfen eben alles …
Norbert Gehlen
Thomm

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