Terra incognita

In dem Artikel von Dieter Lintz zur geplanten Zuschauertribüne im Amphitheater kann man den erstaunlichen Satz lesen: "Auf den betroffenen Rängen gebe es ,archäologisch keinen Befund', so dass eine Verankerung möglich ist." Das stimmt insofern, weil in diesem Bereich noch nie (!

) umfassend gegraben wurde. Was im Untergrund noch zu erwarten ist, weiß man derzeit nicht. Die Ränge im Amphitheater sind der am schlechtesten bekannte und erforschte Bereich der gesamten Anlage: Lediglich einige schmale Sondageschnitte wurden in den 1920er-Jahren auf den westlichen Rängen nahe dem Südausgang gemacht. (Zwanglos nachlesen kann man den Sachstand in: Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier 29, 1997, 32ff mit Plan der Grabungsareale.) Die Verankerung einer tonnenschweren Sitztribüne auf den Westrängen, die ja DIN-Vorschriften genügen muss, will man also in terra incognita rammen. Was das für die archäologische Substanz im Untergrund bedeutet, kann sich jeder vorstellen. Die ist dann nämlich einfach weg und stört nicht mehr. Und vielleicht gibt es ja auch noch einige hastige Voruntersuchungen, um zumindest den Ansprüchen der Unesco für ein Weltkulturerbe ein bisschen entgegen zu kommen. Es ist atemberaubend, wie sorglos hier mit unser aller historischem Erbe umgegangen wird. Wenn man die Baumaßnahmen der letzten Zeit ansieht, wird eines klar: Die Inwertsetzung der Trierer Römerbauten bezieht sich nicht auf die Denkmäler selbst. Es sind keine zeitgemäßen Bauaufnahmen, keine Pflegepläne, keine Sicherung der historischen Substanzen absehbar: Sie bröseln und bröckeln und bröckeln und bröseln... Aber Hauptsache, wir haben bald in allen antiken Ruinen eine Infrastruktur für Events aller Art frei nach dem Motto: Wer will nochmal, wer hat noch nicht. Dann können wir uns und unsere Entscheider feiern, bis der letzte Stein aus der Mauerkrone fällt. Dr. Sibylle Bauer M.A., Trier

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