Theater

Zur Berichterstattung über die Trierer "Fidelio"-Inszenierung und zu verschiedenen Leserbriefen über den Start in die Spielzeit:

 Die einzige Überlebende des Massakers: Frauke Burg als Marzelline im „Fidelio-Projekt“. Foto: Vincenzo Laera

Die einzige Überlebende des Massakers: Frauke Burg als Marzelline im „Fidelio-Projekt“. Foto: Vincenzo Laera

Foto: vincenzo laera (g_leser

Das Theater, tot geglaubt, es lebt! Nach dem doch deutlichen Verriss des Rezensenten ("Schlüssige Konzeption, missglückte Realisierung", 20. September) besuchte ich ohne große Erwartung die Aufführung des "Fidelio", hatte sich doch "so eklatant ... im Trierer Theater noch keine Regie selber ein Bein gestellt". Und wie überraschter war ich, in Erwartung der "Provokation um der Provokation willen", einer unter die Haut gehenden Inszenierung beiwohnen zu dürfen: Bedrückend wird der Zuschauer in eine apokalyptische Folterwirklichkeit hineingezogen, deren Parallelen zur amerikanischen ach so demokratischen Realität mit Händen zu greifen sind. In dieser Welt sind "ziemlich unmotivierte Gewalt" und der "Hang zum Zynischen" in der Tat an der Tagesordnung - allerdings kann dies der Inszenierung doch nicht vorgeworfen werden, wenn sich die Wirklichkeit nun mal so darstellt! Klar ist, dass in dieser Welt die Beethoven'schen Ideale (Gattenliebe, Treue) nicht mehr lebbar sind, es geht eher ums nackte Überleben jedes Einzelnen. Und so stellt sich die Inszenierung die Frage: Wie ist unter diesen Voraussetzungen "Fidelio" überhaupt noch spielbar? Zum einen, so die Inszenierung, indem dargestellt wird, wie traditionelle "klassische" Inszenierungsmöglichkeiten, die nur mehr das Pathos des Bewahren-Wollens in sich tragen, angesichts des "Pathos der Gewalt" ins groteske Gegenteil verkehrt werden. Zum anderen, indem dem Zuschauer die Aufgabe mitgegeben wird zu beantworten, wie dann doch so etwas wie "Unschuld" bewahrt werden kann - Marzelline, die einzige Überlebende des Schlussmassakers, führt das Leiden und den Aufschrei der geknechteten (weiblichen) Kreatur eindringlich in mehreren Szenen immer wieder vor. Ein nervenaufreibender, elektrisierender hochinteressanter Theaterabend jenseits aller Musical lastigkeit des Kulturbetriebs! Peter Krämer, Fachleiter Deutsch am Studienseminar Gymnasien, Pluwig Die Kritiken und Meinungen verärgerter Leser über die Beethoven-ähnliche Aufführung im Stadttheater beschäftigen sich eigentlich mit dem schwindenden Sinn für unsere westliche Geschichte und Kultur, nämlich dem, was uns gemacht hat, was wir sind und worauf wir stolz sind. Beethoven hält Ideale wie Freiheit und Gerechtigkeit hoch, und wir können diese in der heutigen Welt um so mehr gebrauchen. Die Regie eines Theaters müsste eine dienende und vermittelnde Funktion annehmen und nicht aus Denkern und Idealisten etwas Triviales machen. Es ist natürlich schwierig, gegen die allgegenwärtigen elektronischen Medien zu kämpfen, die billiges Entertainment in Riesenmengen produzieren, das nach einem kurzen Lacher schon wieder vergessen wird, bis der nächste Lacher kommt. In seinem dystopischen Roman "Schöne neue Welt" (1932) sah Aldous Huxley schon eine Gesellschaft voraus, in der die Banalisierung und Infantilisierung der Künste schon erreicht war. Wie können wir so etwas verhindern, bevor es zu spät ist? Könnte das Theater eine Rolle spielen? Peter Oldfield, Mertesdorf Das meiste ist schon gesagt. Was bisher im großen Premieren-Abonnement geboten wurde, fand wohl nur wenig Zuspruch. Als langjährige Abonnentin wundere auch ich mich sehr über das, was der neue Intendant glaubt, mir und vielen anderen zumuten zu können. Ich möchte nicht immer nur die halbe Vorstellung sehen, weil das Gebotene mir unerträglich billig erscheint oder mich beleidigt. Schließlich bezahle ich für die ganze Aufführung. Ob Generalmusikdirektor Victor Puhl wohl mit dem Projekt Fidelio glücklich war? Dem neuen Generalintendanten Karl Sibelius geht es offensichtlich nur darum, alle Sparten zu beherrschen. Inszeniert er eigentlich selbst in dieser Spielzeit? Außer dem Ein-Mann-Stück "Kreisler" ist im Zettelprogramm ein entsprechender Hinweis nicht zu finden. Auch wäre es gut, wenn der Kulturdezernent sein Zeitmanagement auf die Premieren ausdehnen würde. Offensichtlich interessieren sie ihn nicht. Elisabeth Wien, Trier Als alter Freund des Trierer Theaters, Mitglied des Fördervereins, in jungen Jahren sogar selbst einmal einige Jahre im Schauspiel-Ensemble sowie bis zur Auflösung ein aktiver Unterstützer der "Antikenfestspiele" habe ich - selbst entfernt wohnend - immer mit Freude die meisten Aufführungen verfolgt und besucht. Ich war stets überrascht, was eine künstlerisch hoch motivierte Theaterleitung selbst mit einem im Vergleich zu größeren Städten verhältnismäßig kleinen Etat in Bezug auf Oper, Operette, Schauspiel und Ballett zustande brachte. Die Presseberichte der letzten Monate und der kürzlich erlebte "Fidelio"-Auftakt haben mich jedoch in Bezug auf die Zukunftserwartungen entsetzt. Der neue Intendant Sibelius versucht augenscheinlich, dem Publikum hier sein persönliches, mit theatralischen Mitteln unterstütztes Lebenskonzept aufzudrücken - mit einem rund 15 Millionen Euro aus Steuermitteln finanzierten Etat. Man denke dabei auch noch an den praktizierten Gender-Unsinn, an eine bemalte Theaterfassade, Grasboden im Theater-Foyer und einem Büro-Container im Hinterhof. Mit solchen Ergüssen und dem kürzlichen "Fidelio-Projekt" des bekannten Skandal-Regisseurs Knabe oder den an die Mosel verpflanzten "uralten" Ruhrpott-Tanzprojekten kann man zwar bei jüngeren Besuchergruppen vielleicht kurzzeitig Aufmerksamkeit erregen, letztlich aber das Theater nur zugrunde richten. Wenn es so weitergeht, werden die treuen Besucher aus Gerolstein, Neuerburg, Waxweiler und anderen Orten des Einzugsgebietes in Scharen dem Theater Trier den Rücken kehren. Ja, bei der besagten "Fidelio"-Projektion, mit Szenen im Pissoir, zwei Frauen in der Dusche und ähnlichem Unsinn, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier mit Absicht getestet werden sollte, wie blöde und abgeschmackt das Publikum sei - und was es wohl alles "schlucken" würde. Ich erinnere mich noch gut, wie in den sechziger Jahren der Trierer Bischof sogar gegen Brecht-Inszenierungen Einspruch erhob, oder ein Regisseur Neuenfels wegen Happenings unter dem Titel "Reißt den Dom ab!" fluchtartig die Stadt verlassen musste. - Wie sich die Zeiten geändert haben! - Wo ist hier der Einspruch? Aber vielleicht weiter so! Es muss doch zu schaffen sein, unser gutes Trierer Theater endlich abwickeln zu können! Vielleicht will man das von verantwortlicher städtischer Seite klammheimlich auf diesem Wege. Klaus Schulte, Aachen

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