Theater

Zur künstlerischen Bilanz der ersten 100 Tage des Trierer Intendanten Karl M. Sibelius:

 Äktschn, bitte: Im Ein-Mann-Stück „Alles bleibt anders“ brilliert Intendant Karl Sibe lius als Schauspieler. Demnächst tritt der Österreicher als „Großherzogin von Gerolstein“ auf (Premiere am 5. Dezember). Und sorgt auch sonst dafür, dass die Theaterwelt interessiert auf Trier blickt. „Die Provinz bebt“, jubelt das Fachmagazin „Die deutsche Bühne“.Foto: Ruppert Rieger

Äktschn, bitte: Im Ein-Mann-Stück „Alles bleibt anders“ brilliert Intendant Karl Sibe lius als Schauspieler. Demnächst tritt der Österreicher als „Großherzogin von Gerolstein“ auf (Premiere am 5. Dezember). Und sorgt auch sonst dafür, dass die Theaterwelt interessiert auf Trier blickt. „Die Provinz bebt“, jubelt das Fachmagazin „Die deutsche Bühne“.Foto: Ruppert Rieger

Foto: (g_leser

Natürlich wollte man alles anders machen, wer würde am Anfang nicht ver-rücken wollen - jeder Trainer, jeder Manager, jede neu gewählte Regierung arbeitet nach diesem Prinzip. Stillstand ist Rückschritt. Der neue Einsatz war sehr ambitioniert, vielleicht überambitioniert für große Teile des Trierer Publikums. Bitterschokolade statt Milchschokolade: verwirrende Plakate, Rollrasen, ein Dutzend Premieren in kürzester Zeit, durchweg hier unbekannte Stücke, Uraufführungen, sieben Spielstätten, knapp 30 Stücke in der Saison plus mehr als 15 Konzerte - und vor allem ein Molière in Farbe und ein Beethoven in Waffen. Allerhand. Alles wird anders. Und das ist gut so. Fernsehen ist Fernsehen und oft genug reine Unterhaltung, Mainstream, wie inzwischen fast jeder Tatort und jedes der landauf-landab gespielten Musicals. Mit Kunst hat das nur insofern etwas zu tun, als mehr oder weniger Können gezeigt wird. Die Mannschaft um Sibelius macht Kunst. Mit teilweise hochrangigen Gastregisseuren, die internationale Reputation erlangt haben (zuletzt der aus Ungarn verjagte Robert Alföldi in "Peter Pan"). Das ist nicht immer einfach zu verstehen, erzeugt Diskussionen, auch Irritationen, sogar Ablehnung. Aber Abkehr? Kündigung? Verweigerung? Sich vom Theaterbesuch abhalten zu lassen, nur weil man durch Leserbriefe abgeschreckt wird, oder das Abo zu kündigen, ohne den Rest der Spielzeit abzuwarten - das sollte sich von selbst verbieten. Es ist gut, dass die Maßstäbe von Kunst ins rechte Licht gerückt werden: Anspruch und Ästhetik. Und Freiheit. Die Freiheit, anders zu denken und inszenieren zu dürfen. Was Alföldi beispielsweise nicht mehr gestattet war. Und dabei gilt es auch, die Buh-Rufer auszuhalten, ja zu dulden. Tatsache ist, dass zahlreiche "neue" Besucher den Weg ins Trierer Theater gefunden haben, auch viele jüngere. Das legitimiert die vom Intendanten eingeschlagene Richtung. Gleichwohl muss das "alte" Publikum mitgenommen werden. Vielleicht war in den zwei "Skandal"-Produktionen zu viel Bitteres für den Geschmack - wieso aber werden die übrigen sieben oder acht dagegen nicht aufgerechnet? Vielleicht gab es so manche typischen "Trier"-Fehler im Beginnen, vielleicht muss es den einen oder anderen Klassiker mehr geben - aber wieso wird die Qualität der Produktionen nicht anerkannt, auch wenn nicht alles behagt und gefällig ist? Es wird sich ein anderes Publikum in Trier bilden, zweifelsohne, so oder so. Aber es bleibt zu hoffen, dass auch die Kritiker mitgehen mit einem Haus, das die (Theater-)Welt zeigen möchte und nicht nur zur Unterhaltung da ist. Wir haben augenblicklich eines der innovativsten und kreativsten Theater der Republik mit einem unerhört engagierten und spielfreudigen Personal. Da ist viel Mut und die Vision eines Großstadttheaters. Wir können stolz auf unser Theater Trier sein. Birgit und Bernhard Hoffmann, Korlingen

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