Unmündige Bürger

Der TV hat mit seinen umfangreichen Veröffentlichungen zu der Polit-Posse zwischen Bürgermeister und VG-Rat für ein überregionales Interesse gesorgt. Dabei ist der Bürgermeister schlecht weggekommen, weil dessen angebliche Fehler und Versäumnisse - obwohl nur vom VG-Rat, also vom Gegner erhoben und daher nicht fundiert - immer wieder breit getreten wurden.

Dagegen ist die Rolle oder das Verhalten des VG-Rats in diesem Streit, zu dem bekanntlich immer zwei gehören, zu kurz gekommen. Eine gut informierte Leserin - mit Insiderwissen - hat in ihrem Leserbrief sogar von "Gerüchten und Lügen" gesprochen. Ein junger, vom Erscheinungsbild sympathischer Mann, der aufgrund seiner spezifischen Verwaltungsausbildung und vorherigen Tätigkeit für das angestrebte kommunalpolitische Amt befähigt und geeignet ist, wird 2001 von den Wählern erstmals in einer Direktwahl mit großer Mehrheit zum Bürgermeister der VG Neumagen-Dhron gewählt. Damit ist der Wahlsieger in die Pfründe oder den bisherigen Besitzstand der Mehrheitspartei des VG-Rats eingebrochen: Denn vor 2001 war es das Privileg der Mehrheitspartei, den Bürgermeister aus ihren Reihen zu bestimmen. Der von der Mehrheitspartei ins Rennen geschickte Kandidat, der schon als Bürgermeister gehandelt wurde, ist aber am Wählerwillen gescheitert, so dass die "Siegesfeier" abgesagt werden musste. Noch in der Wahlnacht wurde das "Kriegsbeil" ausgegraben, indem der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Piesport dem neuen VG-Bürgermeister die unter Demokraten übliche Gratulation zum Wahlsieg verweigerte. Die Konfrontation oder der Streit zwischen Bürgermeister und VG-Rat ist also vom Rat gesucht worden, und so kam es im Rat immer wieder gezielt zu Auseinandersetzungen um die Person des Bürgermeisters. Unter diesen Umständen war es für den VG-Chef schwierig und - wie sich jetzt zeigt - unmöglich, die VG Neumagen-Dhron konstruktiv, sachgerecht, also erfolgreich zu verwalten. Der Streit zwischen dem VG-Rat und dem parteilosen Bürgermeister geht nun mit dessen Abwahlversuch durch den VG-Rat weiter. Der VG-Rat hat also als Initiator des Verfahrens einen erneuten Wahlgang erzwungen. Den Wählern wird damit vom VG-Rat aber auch bedeutet: Ihr habt den falschen Kandidaten, also falsch und fehlerhaft gewählt! So werden die Wähler als unmündige Bürger behandelt und aufgefordert, sich selbst zu verleugnen, ihr ursprüngliches klares und hohes Votum für den Bürgermeister durch dessen Abwahl rückgängig zu machen. Herbert Franzen, Gerolstein

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