Wechsel, Wandel und ein älterer Herr

Zum Artikel "Der Pitbull ist von der Leine" (TV vom 25. August):

Ob die wenig spektakuläre Entscheidung Obamas, Joe Biden zu seinem Vize zu küren, ihm letztlich Erfolg einbringen wird, darf stark bezweifelt werden. Gerade in einer Zeit rapide sinkender Umfragewerte wäre die Benennung des "Running mates" (so wird in den USA der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten genannt) eine ideale Chance gewesen, dem lahmenden Wahlkampfzug neuen Schwung zu verleihen.

Der 65-jährige Biden ist seit 1972 im Senat vertreten und repräsentiert damit par excellence das Establishment, gegen das Obama und sein Team angeblich ankämpfen möchten. Ohnehin hat man irgendwie das Gefühl, dass dieser ältere Herr so gar nicht in das jugendliche Obama-Team passen will, das für Wechsel und Wandel steht. Noch nie zuvor in der jüngeren amerikanischen Geschichte ist die Person des Vize-Präsidenten von solch enormer Wichtigkeit gewesen wie bei dieser Wahl - und zwar für beide Seiten, bei den Republikanern im Hinblick auf das Alter McCains (dieser wäre im Falle seiner Wahl mit 72 Jahren der älteste Präsident, der jemals sein Amt angetreten hat) und bei den Demokraten wegen des erhöhten Attentats-Risikos Obamas.

Der Senator aus Illinois hat zwei große Schwachpunkte: erstens die Sicherheits- und Außenpolitik, zweitens die Wirtschaftspolitik. Biden kann ihm hierbei nur bei der ersten Alternative behilflich sein. Offensichtlich hat die von Obama eingesetzte Kommission zur Kür des idealen Vizepräsidenten (der unter anderen Caroline Kennedy-Schlossberg, die Tochter des 1963 ermordeten Präsidenten angehörte) jedoch niemanden ausfindig machen können, der auf beiden Gebieten punkten kann.

Sollten in den nächsten Monaten weitere außenpolitische Probleme auftreten, käme die Wahl Bidens Obama wohl zugute. Sollte die Wirtschaft jedoch weiter an Fahrt verlieren, könnte sich die Entscheidung für Biden als Fehlgriff erweisen.

Obama muss die Frauen, die weiße Arbeiterschaft und die Hispanics bis zur Wahl am 4. November für sich gewinnen, will er wirklich als Präsident ins Weiße Haus einziehen. Ob Biden allerdings diese Wählergruppen anspricht, darf bezweifelt werden.

Dieter Müller, Wittlich

us-wahlkampf

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