Widerspruch zwischen Worten und Taten immer offensichtlicher

Zum "Fall Oettinger" schreibt dieser Leser:

Endlich hat er widerrufen, der Oettinger. Aber eins ist trotzdem klar: Es handelte sich bei seinen verharmlosenden Äußerungen über Filbingers Wirken in der Nazizeit nicht um unüberlegtes Geschwätz, das man am nächsten Tag am liebsten wieder vergessen machen möchte. Nein, Oettinger hatte ausreichend Zeit, seine Worte genau zu setzen. Er pflanzte sie in die Öffentlichkeit und ließ sie keimen, lange ohne sich um die Kritik zu kümmern, die sie hervorriefen. Er hat sich wohl etwas dabei gedacht, unklar bleibt jedoch, was. Sein Widerruf ist eher peinlich, da man den Eindruck nicht los wird, dass dieser Widerruf nicht ehrlich gemeint ist. Es stecken mehr politischer Druck und taktische Überlegungen hinter diesem Gesinnungswandel als Einsicht und Überzeugung. Aber das schien auch nicht unbedingt so wichtig zu sein, die Hauptsache war wohl eher, dass die Kritik verstummte. Insofern ist der Fall Oettinger ein Lehrstück über Meinungsfreiheit: Meinungsfreiheit schön und gut, so lange sie nicht die herrschende Meinung in Frage stellt.Ein zweites zeigt die Diskussion: So also steht es in Wirklichkeit um die Einstellung weiter Kreise in der CDU gegenüber dem Nationalsozialismus. Das ist also das Ergebnis von über 60 Jahren Aufarbeitung der Nazizeit, dass der Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes einem Unterstützer, nicht einem Mitläufer des Naziregimes, noch nachträglich einen Heiligenschein verpasst.Es stellt sich die Frage, was von solchen Leuten zu halten ist, die immer große Betroffenheit in der Öffentlichkeit zur Schau stellen, wenn in Deutschland Ausländer angegriffen oder jüdische Einrichtungen mit Hakenkreuzen beschmiert werden? Wenn das euer Beitrag zum Kampf gegen Rechts ist, zu dem ihr die Bevölkerung immer gerne mit moralisch erhobenem Zeigefinger anhalten wollt, dann dürft ihr euch doch nicht wundern, wenn die Bürger da nicht mitziehen! Sie zweifeln nämlich an eurer Ernsthaftigkeit und können die Scheinheiligkeit nicht mehr ertragen.Vielleicht musste deshalb auch Oettinger - Meinungsfreiheit hin, Meinungsfreiheit her - so schnell widerrufen, damit die Zweifel im In- und Ausland nicht noch größer werden, die Fragen lauter und die Widersprüche zwischen Worten und Taten offensichtlicher.Rüdiger Rauls, Trier POLITIKER

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