Wirtschaft

Zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zum Beitrag "Eifelkreis hat die 100-Prozentmarke geknackt" (TV vom 3. April) diese Meinungen:

Meine Erleichterung bei der Abwahl der schwarz-gelben Koalition war einhergegangen mit der Hoffnung auf einen Politikwechsel, der diesen Namen wirklich verdient, im Besonderen bezüglich der Energiepolitik, von der die Überlebenschancen zukünftiger Generationen abhängen - der aktuelle Klimabericht belegt es dramatisch. Doch beim Studium des neuen energiepolitischen Konzeptes ("Eckpunkte für die Reform des EEG") von Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, war ich zunächst verwundert, schließlich entsetzt: 1. Die Ziele fallen weit hinter die äußerst restriktiven Ausbaupläne der schwarz-gelben Koalition zurück. 2. Grundlegende Änderungen am Modell der Einspeisevergütung und -garantien für Erneuerbare Energien bevorzugen massiv kapitalstarke Investoren, während Bürgerprojekte weitestgehend chancenlos werden. 3. Die inflatorische Anwendung der Befreiung von EEG-Umlagen treibt die Strompreise für den Normalbürger in kritische Höhen - bald ist auch der letzte Golfplatz einbezogen und kann am globalen Markt energiekostentechnisch konkurrenzfähig bleiben, und auch die Mineralwasserquellen sind in diesem Frühling nicht nur vom Eise befreit. 4. Trotz des Atomausstieges besteht weiterhin die Bereitschaft, Atomexportgeschäfte mit Hermesbürgschaften zu ermöglichen. 5. Fast alle Kohlekraftwerke bleiben für die nächsten 15 Jahre am Netz. 6. Selbst die reduzierten Klimaziele sind mit der geplanten weiteren Kohleverstromung nicht erreichbar. Die Lobbypolitik der Kohlewirtschaft operiert mit absurden Kostenannahmen bezüglich ihrer künftigen Energieproduktionspreise und argumentiert, mittels der CO{-2}-Abscheidung die Klimaziele locker erreichen zu können. Das ist eine Fiktion: Diese Technik existiert gar nicht. 7. Ein anderer Aspekt bezüglich der Kohleverstromung liest sich zunächst wie ein Förderplan für Windenergie: Drei gigantische Stromtrassen durch die Bundesrepublik sind unverzichtbare Bedingung für die Versorgung Süddeutschlands mit dem Windstrom Norddeutschlands. Merkwürdigerweise aber führen zwei der drei geplanten Großtrassen nicht von der Küste nach Süden, sondern von den größten deutschen Braunkohlerevieren - Rheinisches und Mitteldeutsches Braunkohlerevier: eine millionenteure Bestands- und Abnahmegarantie für die extrem umweltschädliche Braunkohleverstromung. Ein Sieg der Braunkohlelobby auf ganzer (Strom-)Linie! 8. Die zögerliche Reform des Emissionshandels mit nur vorübergehender Entnahme von Verschmutzungszertifikaten wird den CO{-2}-Preis nicht umweltwirksam verteuern. CO{-2}-Ausstoß bleibt kostengünstiger als Umweltschutz. Diese Liste ist unvollständig. Doch sie gibt Anlass genug, ernsthafte Befürchtungen zu hegen, dass die Energiewende an die Wand gefahren wird. Erwartet uns eine Fortsetzung der schwarz-gelben Klientelpolitik unter anderer Flagge? Oder gibt es eine Chance, dem Entwurf des Eckpunktepapiers durch späte Erkenntnis - oh Schreck, Umweltzerstörung gefährdet massiv Profite - auf die energiepolitischen Quantensprünge zu helfen? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Gerd Zachris, Igel-Liersberg Es ist erfreulich zu hören, dass wir in der Region so gut mit der Energiewende vorangekommen sind. Nun, da die theoretische Grenze von 100 Prozent geknackt worden ist, sollten wir uns etwas mehr den Tageszeiten (und Nächten) zuwenden, an denen vermutlich auch der Eifelkreis noch Nettoimporte aus Strom (Kohle, Kernkraft) benötigt. Die theoretisch installierte Kapazität aus Photovoltaik, Biogas und Wind mag wunderbar klingen, aber echte Autarkie gibt es erst dann, wenn auch nachts und bei Windarmut keine Nettoimporte nötig sind. Wie weit sind wir da? Es wäre schön, wenn sich der Volksfreund nun, da das erste Ziel erreicht scheint, dieser Recherche kontinuierlich widmen würde. Damit würde er sicher einen sehr vernünftigen Beitrag zur Versachlichung und damit auch zur Restproblemlösung in unserer Region beitragen. Nur, wenn die Öffentlichkeit via Presse den Finger in diese Wunde legt, sind von unseren ideologieverseuchten, grün angehauchten Politikern auch Taten zu erwarten. In der Realität kommt der Strom des Eifelkreises in wind- und sonnenarmen Zeiten vermutlich noch aus Cattenom, weil dieses Kraftwerk, räumlich gesehen, mit zu den nächstgelegenen gehört - natürlich schwer zu sagen, da ja alle Kraftwerke in den großen Stromsee einspeisen. Der Gedanke, dass auch ich noch zur Nachfrage von Cattenom beitrage, löst in mir jedenfalls sehr gemischte Gefühle aus. Weitere Installation von Photovoltaik scheint völlig unsinnig, solange die "Nacht-und-Wind-Löcher" nicht regenerativ gestopft sind. Vielleicht kann ja die Bitburger Brauerei als vermutlich größter Hersteller und Verbraucher von Prozesswärme in der Region ein KWK-Kraftwerk (via Gas) bauen? Solche meist gasbetriebenen Kraftwerke verfügen über Wirkungsgrade jenseits von 80 Prozent und sind extrem flexibel. Die Krux bei der Sache: Da diese Form der Energieerzeugung nicht genügend gefördert wird, rechnet sie sich bei den derzeitigen Strompreisen von drei bis fünf Cent pro Kilowattstunde nicht. Wer zahlt also dann für die Bereithaltung der Leerkapazität, wenn nicht der Endverbraucher? Um diese Löcher zu stopfen, wäre daher als Nächstes wohl die Zwangsabschaltung aller nicht unbedingt notwendigen Verbrauchsquellen sinnvoll. Kostet vermutlich nicht allzu viel. Im Kanton St.Gallen, Schweiz, war das schon vor 35 Jahren bei Waschmaschinen und Trocknern in Mietshäusern der Fall (damals zwischen zwölf und 14 Uhr). Die Zeiten wäre natürlich heute vermutlich andere. Joachim Sels, Ralingen

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