Zweifelhafte Methoden

Zum Artikel "Krippen-Kinder lernen besser" (TV vom 4. März):

Krippen-Kinder lernen besser! So lesen wir es zumindest im TV in Anlehnung an eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Bei näherer Lektüre drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass hier mit zweifelhaften wissenschaftlichen Methoden ein Ergebnis produziert wurde. Reichen beispielsweise die insgesamt nur 160 Krippen-Kinder für eine repräsentative Befragung? Wie viele von diesen 160 waren denn Migrantenkinder? Aus dieser dünnen Zahlenbasis allgemeine Aussagen abzuleiten, scheint doch sehr gewagt.Noch gravierender werden die methodischen Fallen aber hinsichtlich der Auswertung des Datenmaterials: Wenn etwa davon gesprochen wird, dass diese Kinder später leichter den "Sprung aufs Gymnasium schaffen", so wird völlig ignoriert, dass der Besuch des Gymnasiums zurzeit nicht auf die schulische Leistung, sondern auf den Elternwillen zurück zu führen ist. Man müsste also eher fragen, ob diese Kinder das Gymnasium auch erfolgreich abschließen. Wäre es nicht auch eine naheliegende Erklärung, dass Krippen-Kinder, insbesondere die der Jahrgänge 1990 bis 1995, vorwiegend im städtischen und im akademischen Milieu zu finden sind, wo der Anteil der Gymnasiasten sowieso höher ist? Dass Kinder vom Besuch der Krippe profitieren würden, muss in dieser sehr allgemein formulierten Form ("Krippen-Kinder lernen besser") doch weiterhin bezweifelt werden. Auf diese Art "Wissenschaftlichkeit" wird vor allem einem vermeintlichen Zeitgeist gehuldigt, der händeringend "wissenschaftliche" Argumente für eine "zeitgemäße" Familienpolitik sucht. Schade, dass sich die Bertelsmann-Stiftung hierfür nicht zu schade ist!Was die Berichterstattung jedoch fast schon zynisch erscheinen lässt, ist die durchgehend ökonomische Betrachtungsweise von Kindheit, Bildung und Betreuung. Wenn die Kosten eines Krippenbesuchs sofort mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen verrechnet werden, spielt die Frage nach einer kindgerechten Lebensumgebung offensichtlich sowieso keine Rolle. Andreas Wagner, Trier familienpolitik

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