Aufgeschlagen - neue Bücher

Jährlich verschwinden einige Dutzend Passagiere spurlos von Kreuzfahrtschiffen, ob durch Selbstmord oder Verbrechen bleibt in der Regel ungeklärt. Denn in den schwimmenden Hotelburgen von Kleinstadtgröße gibt es keine Polizei.

Diese Tatsache hat Sebastian Fitzek seinem aktuellen Psychothriller "Passagier 23" zugrunde gelegt. Vor Jahren verlor Polizeipsychologe Martin Schwarz auf dem Kreuzfahrtschiff "Sultan of the Seas" unter mysteriösen Umständen Frau und Sohn. Seither ist er ein psychisches Wrack, stürzt sich als verdeckter Ermittler von einem Himmelfahrtskommando ins nächste. Bar jedes Lebenswillens spritzt er sich dafür den HIV-Virus oder bricht sich mit der Zange einen Schneidezahn heraus.

Doch dann erreicht ihn der Anruf einer Thrillerautorin: Er müsse sofort an Bord der "Sultan" kommen, sie habe dort Beweise für das Schicksal seiner Familie gefunden. Auf dem Schiff begegnet Schwarz einem Mädchen, das ebenfalls vermisst war, nun aber wieder aufgetaucht ist - mit dem Teddy seines Sohnes im Arm ... Damit nimmt eine rasante, wendungsreiche Geschichte ihren Lauf, die für Adrenalinschübe und atemlose Spannung sorgt. Sie liest sich, als sei überbordende Fantasie mit dem Autor durchgegangen. Nicht nur, dass er mit Themen von der Vermissten-Problematik bis zum Kindesmissbrauch Stoff verknüpft, der für mehrere Romane reichen würde.

Er spinnt auch Szenarien, die näher am Alptraum als an der Realität liegen. Dabei spielt er ein perfides Spiel mit Vorstellungskraft, Ekel und Ängsten seiner Leser. Zum Beispiel beschreibt er die Wahl einer Gefangenen, zu verhungern oder Reis zu essen, der mit Parasiten versetzt ist. Über allen seinen Einfällen, die teils genial, teils überraschend, zusammen aber überladen wirken, verliert Fitzek seine Figuren etwas aus den Augen. Sie lassen nachvollziehbare Charakterentwicklung ebenso vermissen wie Tiefgang.

Insgesamt jedoch erfüllt "Passagier 23" den Zweck eines Thrillers, die Nerven zu kitzeln und kurzweilig zu unterhalten. Löcher im Seemannsgarn seien da verziehen.

Sebastian Fitzek, Passagier 23, Psychothriller, Verlag Droemer-Knaur, 432 Seiten, 19,99 Euro

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort