Auf Gedeih und Verderb

Der Schwesternstreit innerhalb der Union will nicht enden. Spekulationen um eine Abspaltung der CSU von der CDU werden vor allem von den Bayern befeuert.

Dabei scheint Merkels Flüchtlingspolitik eher ein Vorwand als ein tatsächlicher Grund zu sein für die unionsinternen Verwerfungen. Denn die große Koalition ist CSU-Forderungen in Fragen von Asyl und Integration in weiten Teilen entgegengekommen und die unterschiedlichen Meinungen über Obergrenze, Doppelpass oder Vollverschleierung sind ja nur Randerscheinungen einer Richtungsdebatte, in der es um viel Grundsätzlicheres geht: Um die Verortung der Union innerhalb des Parteienspektrums, also um mehr Rechts oder mehr Mitte. Nichtsdestotrotz ist die CSU viel stärker auf die bayerische Landtagswahl im Mai 2018 und die Verteidigung der absoluten Mehrheit fokussiert, als auf die Bundestagswahl im September 2017.

Denn nur eine gleichbleibend mächtige CSU wird ihr Gewicht auch national ausspielen können.

Auf den ersten Blick ist es ja eine ganz plausible Überlegung. CDU und CSU trennen sich, führen jeder für sich alleine Wahlkampf und koalieren dann im besten Falle wieder miteinander. Rund 20 Prozent der Unionsstimmen kommen gewöhnlich aus dem Freistaat. Würde die CSU bundesweit aktiv, könnte sie mehr Wähler aus dem rechten Lager fischen, umgekehrt würde in Bayern vielleicht mancher, dem die Christsozialen zu populistisch, zu nationalkonservativ, zu nahe an AFD-Positionen sind, sein Kreuzchen bei der CDU machen.

Das ist die Theorie. Aber anders als die CDU, der es vergleichsweise schnell gelingen könnte, Anker in Bayern zu werfen, müssten sich die Christsozialen in Windeseile in fünfzehn weiteren Bundesländern etablieren. Nicht nur mit aller Infrastruktur, die dazu gehört, sondern auch mit eigenem, landeskundlichem Personal. Das wären die rein formalen Schwierigkeiten. Hinzu kämen natürlich auch die Gefahr der gegenseitigen Kannibalisierung und die Schwächung der CSU im Stammland. Denn damit gäbe sie ihren Markenkern als unangefochtene Regionalpartei im finanzstarken Freistaat auf.

Das weiß natürlich auch das Seehofer-Lager, das sich deswegen auch nicht auf die CDU als Ganzes, sondern auf die beim CSU-Spitzenpersonal so ungeliebte Vorsitzende Angela Merkel einschießt. Möglicherweise in der Hoffnung, dass die Christdemokraten zur Vermeidung weiterer Flurschäden diese als Kanzlerin opfern.

Aber Merkel zu stürzen käme für die CSU einem Pyrrhus-Sieg, einem teuer erkauften Erfolg, gleich. Ein möglicher Kanzlerkandidat Wolfgang Schäuble hat mindestens einen solchen Dickschädel wie Merkel selbst und gilt als knallharter Verhandlungspartner. Und mit der im Unionsspektrum links angesiedelten Ursula von der Leyen sind die Christsozialen noch nie warm geworden.

Bliebe Horst Seehofer selbst. Doch der hat bei der CSU-Vorstandklausur vor wenigen Tagen eine Kandidatur aus den eigenen Reihen ausgeschlossen. Wohl nicht zuletzt, weil er sich über die geringen Chancen im Klaren ist. Bei allen Meinungsverschiedenheiten sind CDU/CSU also aufeinander angewiesen. Auf Gedeih und Verderb. Das bayerische Zähnefletschen ist lediglich Drohgebärde nach innen. In der Außenwirkung aber schwächt es die gesamte Union.

Isabell Funk
Chefredakteurin

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