Deutschland bewundert, Deutschland geschmäht

Auch wenn es zurzeit schwer ist, mit anderen Themen durchzudringen. Es gibt noch ein Leben neben und nach der Fußballweltmeisterschaft.

Die unausgegorenen, komplizierten und wenig Gewinn versprechenden Maut-Pläne der CSU, die obendrein auch noch weit über die Koalitionsvereinbarungen hinausgehen, haben es trotz allgemeinen Fußballrausches in die Schlagzeilen geschafft. Diese Pläne könnten nachhaltig das gute Verhältnis zu unseren ausländischen Nachbarn trüben. Deutschland sonnt sich dank Jogis souveräner Truppe gerade in weltweiter Bewunderung. Gleichgültig ,wie das Endspiel morgen ausgeht, der bescheidene Umgang mit dem 7:1 -Halbfinal-Sieg gegen Gastgeber Brasilien, der dem Verlierer half, seine Würde zu wahren, dürfte unserer Nation mehr Sympathie eingebracht haben als alle politischen Charme-Offensiven zusammen. Aber von solchen Offensiven ist augenblicklich sowieso nicht die Rede. Der selbst im schwarz-roten Regierungsbündnis heftig umstrittene CSU-Vorstoß, auf allen Straßen eine Maut einzuführen, die nur Ausländer träfe, die Deutschen selbst aber durch eine entsprechende Senkung der KFZ-Steuer verschonte, treibt andere EU-Staaten auf die Palme. Österreich und die Niederlande haben bereits Klage beim Europäischen Gerichtshof wegen Diskriminierung angekündigt. Auch die Luxemburger Medien lassen es nicht an Deutlichkeit fehlen. Während das ,,Wort" noch vergleichsweise moderat über ,,Deutschland am Pranger" berichtet, widmet das ,,Tageblatt" unter der Überschrift ,,Deutschland führt Ausländer-Kopfgeld ein" dem Thema fast die gesamte Titelseite. Bundesverkehrsminister Dobrindt müsse doch wissen, dass die Zeiten des Raubrittertums vorbei sind, schimpft der Kommentator und prognostiziert, dass die Leidtragenden vor allem die deutschen Grenzregionen seien. Wenn man die Einnahmen gegen die Ausgaben für Bürokratie und Verwaltung rechne, sei das geplante Projekt, gesamtwirtschaftlich betrachtet, ohnehin ein Verlustgeschäft. Damit dürfte er recht haben. Denn wer wollte schon Eintritt zahlen, wenn er sein Geld auch woanders ausgeben kann? Wir in der Region Trier wissen am besten, wie sehr wir die kaufkräftigen Luxemburger, die niederländischen und belgischen Tages- oder Langzeittouristen brauchen. Außerdem kann die KfZ-Steuer auch schnell wieder erhöht werden. Dann hätten wir doppelt verloren oder gar dreifach, wenn sich beispielsweise andere EU-Länder revanchierten und ebenfalls Gebühren für die Nutzung all ihrer Straßen verlangten. Ausgerechnet bei einem Thema von europäischem Ausmaß kann es nicht sein, dass sich eine Partei wie die CSU durchsetzt, die bei der jüngsten Europawahl wegen ihres Schlingerkurses krachend gegen die Wand gefahren ist. Wenn es der Bundesregierung ernst ist mit ihrem ,,Europa der Menschen", dann muss sie die Geisterfahrer aus Bayern stoppen. Denn finanzielle Hürden führen die Menschen eben gerade nicht zusammen.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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