Gute Ausländer, schlechte Ausländer

Marzahn-Hellersdorf ist der jüngste Berliner Bezirk. Die Wohnlage ist geprägt von Plattenbauten, in denen zwei Drittel der rund 250 000 Einwohner leben.

Die Gegend gehört nicht zu den sozialen Brennpunkten, Arbeitslosigkeit und Kriminalität liegen unter Berliner Durchschnitt. Im Mai 2009 wurde Marzahn-Hellersdorf von der Bundesregierung für seinen Einsatz gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit als ,,Ort der Vielfalt" ausgezeichnet. Im August 2013 erreichen uns Nachrichten und Bilder von Nazi-Aufmärschen gegen die Belegung eines neuen Flüchtlingsheims in Hellersdorf mit Bürgerkriegsopfern aus Syrien und Afghanistan. Der braune Mob versucht die Anwohner für seine Botschaften zu instrumentalisieren. Derweil streiten Politiker um die richtige Asylpolitik, um Sinn oder Unsinn von Residenzpflicht, verirren sich in Detailfragen. Gerade so, als sei das Thema neu. Gerade so, als ließe die wachsende Gewalt im arabischen Raum nicht weitere Flüchtlingsströme erwarten. Gerade so, als habe es in Deutschland vorwiegend in den 1990er Jahren keine rassistischen Ausschreitungen großen Stils gegeben. Erinnert sei an Hoyerswerda, Rostock, Solingen … Diese Woche legte der NSU-Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht zur Mordserie von Rechtsterroristen an Migranten vor. Alle Parteien sind sich einig: Hier haben Justiz, Ermittler und Behörden auf der ganzen Linie versagt. Die Verbrechen werden gerade in einem aufsehenerregenden Prozess am Münchner Landgericht verhandelt. Auch die Szenen in Hellersdorf zeigen, dass die Hilflosigkeit im Umgang mit Rechtsextremisten und ihren heimlichen Sympathisanten sehr gegenwärtig ist. Hellersdorf kann überall sein. Die vielzitierte Willkommenskultur, die auch in Wahlprogramme Einzug gehalten hat, bleibt Phrase und Beschwörungsformel, solange wir zwischen guten und schlechten Ausländern unterscheiden. Zwischen denen also, die wir am Arbeitmarkt brauchen, und solchen, die uns in auswegloser Lage um Hilfe bitten. Das ist kein Plädoyer für unbegrenzten Zuzug. Der würde unsere Sozialsysteme sprengen. Aber darum geht es auch gar nicht. Im aktuellen Fall geht es um 400 Menschen, deren Asylanträge geprüft werden. Um 400 inmitten einer viertel Million Einwohner.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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